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Archiv-Artikel

Von Rechts wegen

Manche aus dem braunen Sumpf in Jena tauchten ab in den terroristischen Untergrund. Andere tauchten auf in der bürgerlichen Mitte. Der verhaftete mutmaßliche Terrorhelfer Ralf Wohlleben hatte als NPD-Funktionär in Jena eine Stellvertreterin. Die Frau war später mutmaßlich in einem rechtsextremen Netzwerk aktiv und machte als Rechtsanwältin mit Kollegen in Rastatt und Stuttgart Karriere

von Meinrad Heck

Die Anwälte der Kanzlei namens H3 im Stuttgarter Osten mit einer Niederlassung im badischen Rastatt fallen nicht besonders auf. Der eine ist im Arbeitskreis christlich-demokratischer Juristen der CDU, der nächste bietet seine Dienste als Scheidungsanwalt an. Ein anderer Kollege empfiehlt sich als Arbeitsrechtler und eine freundliche Advokatin kennt sich besonders gut im Urheberrecht aus.

Eine Suchmaschine und drei Mausklicks später weiß der normale Internetnutzer, dass jener CDU-nahe Jurist namens Klaus Harsch hin und wieder Neonazis zu seinen Mandanten zählte. CDU-Bürgermeister, die am Parteifreund und dessen Klientel im Badischen vor drei Jahren öffentlich Kritik übten, hatte der Jurist bis in die letzte Instanz erfolgreich auf Unterlassung verklagt. Denn wer Rechtsextreme verteidigt, muss noch lange keiner sein.

Dann gibt es noch den Arbeitsrechtler und den Scheidungsanwalt jener nach außen so unscheinbaren Kanzlei im Stuttgarter Osten. Sie tauchen nach ein paar Mausklicks als ehemalige Sänger merkwürdiger Skinheadbands auf. Der eine nicht nur auf den kritischen Websites der üblichen Verdächtigen in der linksautonomen Antifa-Ecke, sondern selbst geoutet etwa im Original auf der Website einer Gruppe namens „Noie Werte“.

Nur rebellisch wollten die Mitglieder dieser Skinheadband in den letzten fast zwanzig Jahren bis zur offiziellen Auflösung im Herbst letzten Jahres gewesen sein. Darunter auch der Scheidungsanwalt Steffen Hammer der Kanzlei H3 aus dem Stuttgarter Osten. Aber vor allem verkauften sie sich selbst mit Titeln wie „Faktor Widerstand“ oder „Sohn aus Heldenland“ als Patrioten wider die „gesellschaftlichen Verblendungen“ in Deutschland. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg hielt und hält sie in seinen Jahresberichten unwidersprochen für – so wörtlich – „rechtsextremistisch“.

Frühere NPD-Stellvertreterin

Dann noch die freundliche Advokatin für Urheberrecht aus der Stuttgarter Kanzlei namens Nicole Schneiders. Sie war unter ihrem Geburtsnamen Schäfer bis 2002 NPD-Stellvertreterin eines gewissen Ralf Wohlleben, als der noch Kreisvorsitzender der NPD im thüringischen Jena gewesen war. Es ist jener Ralf Wohlleben, der jetzt im November 2011 als Unterstützer der braunen Zwickauer Terrorzelle verdächtigt und verhaftet wurde, weil er dieser Terrorzelle laut Bundesanwaltschaft eine Pistole mit Munition beschafft haben soll. Wohlgemerkt ein Unterstützer-Verdacht gegen Wohlleben, nicht gegen seine frühere NPD-Stellvertreterin, die heutige Juristin. Sie ist im aktuellen Terrorverdachtsverfahren seine Verteidigerin.

Die politische Vergangenheit der Juristin hat – zumindest öffentlich – deutlich weniger Spuren hinterlassen, als die mancher ihrer Kanzleikollegen. Ihre frühere NPD-Mitgliedschaft während ihres damals beginnenden Jura-Studiums Anfang 2000 in Thüringen lässt sich zwar mit Hinweisen aus Sicherheitskreisen erhärten. Darunter sind aber auch Behörden, die so sehr im Geheimen arbeiten, dass deren Informationen deshalb durchaus auch mit Vorsicht zu genießen sind.

Verlässlicher sind mittlerweile vom Netz genommene Websites der NPD selbst, auf denen ihr Geburtsname auftaucht. Und als noch verlässlicher darf der Kontoauszug der NPD Jena gelten, der der Kontext:Wochenzeitung vorliegt. Auf diesem Dokument ist sowohl der Monatsbeitrag über 3,07 Euro des terrorverdächtigen Ralf Wohlleben als auch jener der jetzt in Baden-Württemberg tätigen – unverdächtigen – Anwältin dokumentiert. 2002 verließ die damals noch angehende Juristin Thüringen Richtung Baden-Württemberg und beendete ihr Studium später in Mannheim. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte sie erstmals als Rechtsanwältin in der Rastatter Kanzlei jenes CDU-nahen Juristen, der sich 2008 die Kritik von badischen Parteifreunden und von Fernsehjournalisten an seiner anwaltlichen Tätigkeit für Rechtsextreme erfolgreich verbieten ließ. Die junge Thüringer Juristin vertrat seinerzeit ihren Chef vor Gericht.

Die damals vorgebrachte Kritik gegen die anwaltliche Interessenvertretung für Rechtsextreme in einem Rechtsstaat sei „eine Hetzjagd“ und „ein Angriff auf die Unabhängigkeit der Rechtspflege und als solches ein Angriff auf die Gewaltenteilung und Demokratie selbst“, formulierte sie in flammenden Schriftsätzen. Denn ein Rechtsanwalt mache sich als unabhängiges Organ der Rechtspflege nun einmal „nicht die Interessen und Ansichten seiner Mandanten zu eigen.“ Und „wohl das Schlimmste“, was ihm vorgeworfen werden könne, „ist, ein Nazi-Anwalt zu sein“, schrieb die ehemals stellvertretende NPD-Kreisvorsitzende.

Dass und welche Erkenntnisse die örtliche Polizeidirektion in einem vertraulichen Vermerk über die Juristin der flammenden Schriftsätze gesammelt und notiert hatte, drang nicht an die Öffentlichkeit. Diesem Vermerk „Tagebuch Nummer D 1.1/St/1124/08“ zufolge führte sie „als Jurastudentin Rechtsschulungen (Wie verhalte ich mich gegenüber der Polizei / Justiz) in der Szene durch“. Welche Szene?

Neonazi-Forum wird gehackt

Die üblichen Verdächtigen legen dazu eine Spur. 2006 wird von Hackern die Website und das streng nach außen abgeschirmte Forum eines Aktionsbündnisses Rhein Neckar geknackt. Riesige Datenmengen mit interner Kommunikation werden von linksgerichteten Gruppen im Internet veröffentlicht. Den Hackern ist ein empfindlicher Schlag gegen Neonazis gelungen.

Im jüngsten Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg heißt es über dieses Aktionsbündnis Rhein Neckar: „Als typisches Beispiel für länderübergreifende Netzwerkstrukturen innerhalb des deutschen Neonazismus kann das Aktionsbüro Rhein-Neckar gelten, das seit dem Jahr 2003 im Dreiländereck zwischen Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz arbeitet. Es koordiniert im gesamten Rhein-Neckar-Raum die Aktivitäten der dortigen rechtsextremistischen Neonazi- und Skinheadgruppierungen. Außerdem ist es personell mit der NPD verflochten und pflegt enge Kontakte zu rechtsextremistischen Führungspersonen sowie Gruppierungen in den angrenzenden Regionen“.

Sind die gehackten und veröffentlichten Daten aus diesem Neonazi-Forum echt? Für eine Fälschung spricht nichts, außer eine niemals auszuschließende Restwahrscheinlichkeit. Sicherheitsbehörden halten die Daten für authentisch. Viele Details darin decken sich mit belegbaren Vorgängen, die kein Außenstehender wissen konnte. In dem geknackten Forum tummelt sich etwa jener André K. aus Jena, dessen Name 2006 kaum eine Bedeutung hatte, heute aber eine umso größere, weil er aktuell immer wieder in Verbindung mit der Zwickauer Terrorzelle genannt wird. André K. pflegte seine Botschaften an Kameraden in Baden-Württemberg in jenem Forum gern mit „Gruß und Heil“ zu beenden.

Ausgedruckt auf über 1.000 Seiten finden sich geheime Telefonnummern, eigene Berichte der Neonazis über „Anquatschversuche“ von Verfassungsschützern oder von Agenten des Militärischen Abschirmdienstes MAD mit deren Decknamen, Auto und Handynummern. Und es finden sich in diesem Neonazi-Forum dutzende von Botschaften einer gewissen Nicole. Dem Vornamen der Rechtsanwältin mit den flammenden Schriftsätzen.

„Frau in unserer nationalen Bewegung“

Auch hier sind Sicherheitsbehörden überzeugt, es handele sich um genau diese Rechtsanwältin. In dem gehackten Material tauchten private Details über jene Nicole auf, die aber kaum ein Außenstehender hätte wissen und dann womöglich fälschen können. Auch Telefonnummern oder detaillierte Hinweise auf Jena in Thüringen und Hinweise, die sich mit den nur Polizei bekannten „Rechtsschulungen in der Szene“ deckten.

In den gehackten Forumsbeiträgen des neonazistischen Aktionsbündnisses empfahl sich diese ominöse Nicole als „Frau in unserer nationalen Bewegung“. Sie lud Ratsuchende ein, sie könnten sich „gern mal bei uns in der Kanzlei melden“ und nannte explizit die Telefonnummer der Kanzlei des CDU-nahen Juristen.

Auch Waffen wurden diskutiert. Es ging nicht etwa darum, dass man von ihnen die Finger lassen sollte. Sondern aus Sorge vor Hausdurchsuchungen riet die unbekannte Nicole: „Lagert in eurer Wohnung keine Waffen, es sei denn ihr besitzt für eine bestimmte Waffe einen diesbezüglichen Waffenschein oder eine Waffenbesitzkarte“. Und wenn in diesem geschlossenen Forum über politische Gegner und Zukunft diskutiert wurde, befand diese Nicole, „es wäre sinnvoller nach einer Revolution zu inhaftieren anstatt zu töten“. Und natürlich müsse dann „ein faires rechtsstaatliches Verfahren … Grundlage auch eines neuen Systems“ sein.

In jenem Gerichtsverfahren, mit dem sich ihr Kanzleichef 2008 öffentliche Kritik erfolgreich verbieten ließ, erwähnte Rechtsanwältin Nicole Schneiders mit der fragwürdigen Thüringer Vergangenheit auch dieses geheime Forum, in dem sie möglicherweise selbst Mitglied gewesen war: Es handele sich, schrieb sie, um ein „geschlossenes, also ein nicht-öffentliches, Forum“ und „die darin befindlichen Daten“ seien „durch einen strafbaren lnternethacker-Angriff erst veröffentlicht“ worden. Da „diese Informationen“ aus einer Straftat stammten, seien sie „unverwertbar“. Zum Inhalt werde „daher keine Stellung genommen“.

Aktuell war die Rechtsanwältin auf detaillierte Fragen der Kontext: Wochenzeitung zum Aktionsbündnis Rhein Neckar und der früheren Tätigkeit als stellvertretende NPD-Kreisvorsitzende in Jena ausdrücklich „zu keiner Stellungnahme bereit“. Und so ist diese Juristin und ehemalige NPD-Funktionärin in der unscheinbaren Kanzlei im Stuttgarter Osten und im badischen Rastatt weiterhin das „unabhängige Organ der Rechtspflege“, welches sich die Interessen und Ansichten seiner Mandanten „nicht zu eigen macht“. Sie verteidigt jetzt ihren früheren NPD-Vorsitzenden aus Jena, den unter Terrorverdacht stehenden Ralf Wohlleben.