Essig mit Galapremiere

Bei Robin Hood

Auf der Einladung stand: „Dresscode: Black Tie“. Google, hektisch befragt, konkretisierte: Herren mit Fliege, Damen im Abendkleid. Ich tuschte mir also die Lippen, meine Bekannte kam mit enganliegenden schwarzen Seidenhandschuhen. Aber wir hatten die Rechnung ohne den Berlin Style gemacht: Im ungeheizten Foyer stand man in Jeans und Sakko und schüttete Prosecco in sich hinein.

Zur Premiere des Musicals „Robin Hood“ im Schillertheater wollten wir über einen roten Teppich wandeln. Aber der war nicht ausgerollt worden, obwohl der „Auszug aus der Gästeliste“, den wir in die Hand gedrückt bekamen, fast eine ganze DIN-A4-Seite lang war. Jetzt waren wir overdressed und starrten auf leere Signifikanten: Giovanni di Lorenzo, Milka Loff Fernandes, Kader Loth und Christoph M. Ohrt – nicht zu sehen. Die zehn GZSZ-Schauspieler, Anwalt Dr. Stephan Holthoff-Pförtner und Daniela Sauter, Inhaberin des Small-Luxury-Hotels Brandenburger Hof – uns unbekannt. Einzig Roberto Blanco reckte aus seinem Kamelhaarmantelärmel ein Kinderholzschwert in die wenigen anwesenden Kameras.

Was danach kam, war schlimmer. Robin Hood, Saarländer und offensiver Kevin-Costner-Lookalike, ließ sein Herz schreien nach Gerechtigkeit, Günther Kaufmann als Bruder Tuck gospelte vom Salz der Erde, Lady Isabelle lispelte, bis einige im Publikum ihren Lachkrampf nicht mehr unter Kontrolle hatten. Als schlussendlich Lady Marian winselte: „Robin, wenn du ihn [den Sheriff von Nottingham] jetzt tötest, ist diese Erde entweiht und wir können hier nicht heiraten!“, machte der gesamte, also der halbvolle, Saal gehässig: „Oooooooh!“ Allerspätestens hier war’s Essig mit der Galapremiere. KIRSTEN RIESSELMANN