: Wäschetrocknen auf der Heizung
SOZIALES Linke prangern „desolate“ Zustände in einer Reinickendorfer Notunterkunft für Asylbewerber an. Betreiber und LaGeSo dementieren. Von den Anwohnern wird das Heim offenbar gut akzeptiert
„Menschenunwürdige Bedingungen“ in einer Reinickendorfer Notunterkunft für Flüchtlinge hat der Linken-Abgeordnete Hakan Taş angeprangert: Der bauliche Zustand der ehemaligen Schule sei „desolat“, es seien bis zu 25 Personen in einem Raum untergebracht, für die insgesamt 120 Flüchtlinge gebe es nur eine Frauen- und eine Männertoilette. In Ermangelung von Waschmaschinen müsse Wäsche mit der Hand gewaschen und auf Heizungen getrocknet werden. Taş sagte, er sei „entsetzt, dass die Unterkunft überhaupt eine Betriebserlaubnis bekommen hat“ und forderte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) auf, die Unterbringung unter diesem Umständen sofort zu beenden.
Bei dem Gebäude, in das die Flüchtlinge vor einem Monat eingezogen sind, handelt es sich um das ehemalige Collège Voltaire in dem von den französischen Alliierten errichteten Wohnviertel Cité Foch. Die Immobilie, die seit mehreren Jahren leer steht, gehört dem Berliner Liegenschaftsfonds, der sie nun dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) zur Verfügung gestellt hat. Seit Mitte Februar nutzt das LaGeSo sie als Unterkunft; im Moment sind hier vor allem Familien aus Syrien und dem Irak, aus Serbien, Bosnien und dem Kosovo untergebracht.
Bei einer Besichtigung der Unterkunft durch die taz Ende der Woche bestätigten Bewohner das Fehlen von Gelegenheiten zum Wäschewaschen. Auch die Privatsphäre in den ehemaligen Klassenzimmern ist stark eingeschränkt: Die Bewohner schlafen in Etagenbetten, die mit Bettlaken als Sichtschutz verhängt wurden. Bei den von Taş bemängelten zwei Toiletten handelt es sich aber um zwei Container mit je mehreren Einzeltoiletten.
Betreiber der Unterkunft ist der Verein Soziale Initiative Niederlausitz (SIN). Laut Geschäftsführer Armin Wegner sind Waschmaschinen bereits geliefert worden und werden in Kürze angeschlossen. „Die Schule hatte eine ganz andere Infrastruktur, aber wir haben alles in Gang gesetzt, um angemessene Zustände herzustellen“, sagt Wegner.
Auf die Kritik von Taş hin hatten auch Mitarbeiter des LaGeSo die Unterkunft kontrolliert. Sprecherin Silvia Kostner bestätigte das Vorhandensein von Waschmaschinen, die allerdings noch nicht anschlossen seien. Die Anzahl der Duschen und Toiletten entspreche den Qualitätsanforderungen des Amts. Kostner betonte, dass sich in einer Notunterkunft wie dieser „Einschränkungen der Individualsphäre“ nicht verhindern ließen. „Das wird sich auch bei einer erweiterten Nutzung des Objektes nicht vermeiden lassen.“ Es ist geplant, die Kapazität der Unterkunft in den kommenden Wochen um 150 Plätze zu erweitern.
Sowohl Geschäftsführer Wegner als auch Flüchtlinge bestätigten gegenüber der taz, dass es keine Probleme mit Nachbarn gibt. Mitte Februar gab es eine Informationsveranstaltung, zu der 200–300 Personen kamen und die nach Aussage mehrerer Teilnehmer konstruktiv verlief. Eine Unterstützergruppe organisiert Sachspenden und ehrenamtliche Hilfsangebote in der Unterkunft. CLAUDIUS PRÖSSER