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Archiv-Artikel

Der Terror beginnt mit der Ausreise

STRAFRECHT Das neue Antiterrorgesetz von Justizminister Maas will bereits die Ausreise von Dschihadisten bestrafen. Sachverständige kritisieren das als verfassungswidrig

BERLIN taz | „Wir werden eines der schärfsten Antiterrorismusgesetze in Europa haben“, kündigte jüngst Justizminister Heiko Maas (SPD) an. Am heutigen Montag werden Sachverständige im Rechtsausschuss des Bundestags sich mit Maas’ Vorschlägen befassen. Die bisher vorliegenden Stellungnahmen sind überwiegend kritisch – aus liberaler und aus konservativer Sicht.

Schon bisher war der Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers strafbar. Künftig soll bereits die Reise in ein Land, in dem es terroristische Ausbildungslager gibt, strafbar sein. Sogar der Versuch der Ausreise soll bestraft werden. Der 2009 eingeführte Paragraf 89a des Strafgesetzbuchs soll entsprechend verschärft werden, so der Entwurf der Bundesregierung. Es drohen sechs Monate bis zehn Jahre Gefängnis. Erforderlich ist aber jeweils die Absicht, eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ zu begehen.

Außerdem soll es im Strafgesetzbuch künftig einen eigenen Paragrafen 89c zur Terrorismusfinanzierung geben. Inhaltlich neu ist daran nur, dass künftig auch die Sammlung unerheblicher Geldbeträge strafbar wird.

Der Kölner Rechtswissenschaftler Nikolaos Gazeas hält es für verfassungswidrig, dass schon für den bloßen Versuch der Ausreise eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren angedroht werden soll. Dies sei „in keinem denkbaren Fall als angemessene Sanktion vorstellbar“, sagt er. Nikolaos Gazeas spricht von einem „Verstoß gegen das Übermaßverbot“.

Statt die Ausreise zu terroristischen Zwecken zu kriminalisieren, schlägt Gazeas vor, bei islamistischen Gefährdern erst ein Ausreiseverbot zu verhängen und dann Verstöße dagegen zu bestrafen. Dies sei grundrechtsschonender und zugleich leichter zu beweisen.

Anwälte lehnen Papier ab

Auch der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer lehnt den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Die Grenzen zwischen Prävention und Repression würden aufgehoben und damit die „Legitimität des Strafrechts als Ultima-ratio-Instrument des Rechtsgüterschutzes schwer beschädigt“, schrieb die Berliner Anwältin Anke Müller-Jacobsen im Namen des Ausschusses. Rainer Griesbaum, der ehemalige Vizegeneralbundesanwalt, bewertet den Einsatz des Strafrechts zur Prävention dagegen positiv.

Zwar werde bei der Ausreise in ein Land mit terroristischen Ausbildungslagern „ein Vorbereitungsdelikt zu einem weiteren Vorbereitungsdelikt“ bestraft. Es sei aber „verfassungsrechtlich unbedenklich“, die Entwicklung einer Gefahrenlage „im frühestmöglichen Stadium zu unterbinden“. Die Ausreise stellt schließlich „den ersten Schritt auf dem Weg zu einer terroristischen Karriere“ dar. Auch die Bevölkerung erwarte vom staatlichen Schutzanspruch in erster Linie die Verhinderung terroristischer Anschläge.

Joachim Krause, Direktor des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik, hält Maas’ Gesetzentwurf sogar für unzureichend. „Die Bedrohungslage ist viel ernster und komplexer und sollte nicht auf Reisetätigkeiten bestimmter Personen reduziert werden“, schreibt er.

Krause schlägt vor, bereits jede „Verbreitung salafistischen Gedankenguts“ strafbar zu machen. CHRISTIAN RATH