Löhne wie im schlechten Film

Warnstreiks bringen Bewegung in Tarifstreit bei Cinemaxx. Gewerkschaft fordert Lohnzuwachs und Angleichung der massiv abgesenkten Löhne für Neubeschäftigte. Dann wären Gespräche über flexiblere Arbeitszeiten drin

Viele Kinobesucher in Göttingen, Braunschweig, Bremen und anderen norddeutschen Städten konnten am Wochenende die Werbezeit vor Filmbeginn mit Lesen verbringen. An den Cinemaxx-Eingängen hatten Beschäftigte den Gästen Flugblätter in die Hand gedrückt, um über ihren seit Monaten andauernden Arbeitskampf zu informieren.

In den Tarifstreit ist jetzt Bewegung gekommen. Nach zahlreichen Warnstreiks hat die Cinemaxx AG, Deutschlands größter Multiplex-Kino-Betreiber, ein neues Angebot vorgelegt. Heute soll darüber verhandelt werden. Die Gewerkschaft Verdi hat im Gegenzug ein „befristetes Streikmoratorium“ erklärt. Wenn es zu keiner Einigung komme, seien „Kinostreiks im Weihnachtsgeschäft“ wahrscheinlich, hieß es von Gewerkschaftsseite in Göttingen.

Mitte 2003 hatte die Cinemaxx AG den bestehenden Tarifvertrag gekündigt und dabei auf die Krise in der Kinobranche verwiesen. „Die Beschäftigten sind für die Konzernpolitik nicht verantwortlich“, hält Ertunc Eren, einer der Göttinger Streikaktivisten, dem entgegen. Cinemaxx habe in der Boom-Zeit viel zu schnell und zu stark expandiert. Die Konsequenzen sollten jetzt die Mitarbeiter tragen.

Anfang 2004 stellte das Unternehmen erstmals neue Beschäftigte für einen Stundenlohn von 6,50 Euro ein. Früher gezahlte Jahressonderzahlungen entfielen, ebenso wie bezahlter Urlaub und vermögenswirksame Leistungen. Auf Warnstreiks und andere Protestaktionen reagierte die Cinemaxx AG mit dem Austritt aus dem Unternehmerverband der Kinoindustrie. Damit war der Rahmentarifvertrag, den Verdi und der Verband abgeschlossen haben, für das Unternehmen nicht mehr bindend.

Das neue Angebot, über das nun verhandelt werden soll, ist nach Ansicht der Gewerkschaft völlig unzureichend. So sollen die neu eingestellten 6,50-Euro-Kräfte, inzwischen rund die Hälfte der Belegschaft, nach dem Willen des Vorstandes stufenweise bis zum Jahr 2012 auf den alten Tariflohn von 2002 von 7,48 Euro angehoben werden. Den alten Tarifurlaub und Jahressonderleistungen sollen sie aber nicht bekommen.

Die „Altbeschäftigten“ bekommen für 2008 bis 2012 Lohnerhöhungen von gerade mal zwei Prozent für alle zwei Jahre angeboten. Das bedeutet faktisch erhebliche Lohneinbußen – schon die jährliche Inflationsrate liegt derzeit bei drei Prozent. Im Gegenzug für diese Offerte verlangt das Unternehmen, dass die Beschäftigten noch flexibleren Arbeitszeiten und bereichen zustimmen.

Verdi besteht auf eine jährliche Lohnerhöhung um den Inflationsausgleich, erstmals zum Januar 2008. Für die neu eingestellten Kolleginnen und Kollegen fordert die Gewerkschaft eine „echte Angleichung“ an das Lohnniveau der schon länger Beschäftigten. Werden diese Forderungen erfüllt, wäre Verdi in der Frage der Flexibilisierung kompromissbereit.

Kürzlich bekamen die Cinemaxxler prominente Unterstützung: Als Filmregisseur Hans Weingartner zur Vorpremiere seines neuen Films „Free Rainer“ ins Göttinger Cinemaxx kam, traf er sich auch mit Beschäftigten. „6,50 Euro sind ein menschenunwürdiger Lohn“, sagte Weingartner. REIMAR PAUL