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Archiv-Artikel

Wende ohne Volk

ENERGIE Bürgermeister verteidigt Verträge mit Konzernen. Initiative für Netzrückkauf bleibt hart

Von SMV

Früher als jede andere deutsche Großstadt könne Hamburg die Energiewende schaffen, erklärte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gestern vor der Bürgerschaft. In einer halbstündigen Regierungserklärung verteidigte er die Verträge, die der Senat vor zwei Wochen mit den Konzernen Vattenfall und Eon Hanse abgeschlossen hat.

Die „strategische Beteiligung“ an den Versorgungsnetzen für Strom, Gas und Fernwärme, die in den Verträgen vereinbart wurde, sichere der Stadt ausreichend Einfluss auf alle Entscheidungen. Der Kaufpreis – 543,5 Millionen Euro – sei sehr hoch, räumte Scholz ein. Er sei aber zu verantworten, weil er über die ausgehandelte Dividende refinanziert werden könne.

An die Volksinitiative, die einen vollständigen Rückkauf der Netze fordert, appellierte der Bürgermeister, diesen Weg nicht zu behindern. Wenn sie auf einem Volksentscheid bestehe, solle sie ihn rasch durchführen, nicht erst im Herbst 2013. Dann könne man „jetzt mit der Energiewende beginnen“.

Am Vormittag hatte er sich erstmals mit der Initiative zu einem halbstündigen Gespräch getroffen. „In sachlicher Atmosphäre“, sagte Manfred Braasch, Vertrauensmann der Initiative und Chef der Hamburger Umweltorganisation BUND, anschließend vor Journalisten. Eine Annäherung aber habe es nicht gegeben: „Die Positionen sind unvereinbar“, so Braasch. „Wir werden an dem Volksentscheid zur Bundestagswahl im September 2013 festhalten.“

Im Grundsatz sei der energiepolitische Kurs des Senats richtig, räumte CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich in der Bürgerschaft ein. Jedoch sei „die Teilverstaatlichung der Netze“ falsch und unbezahlbar. Die Vereinbarungen seien „Geschenke an klamme Atomkonzerne“, sagten übereinstimmend GAL-Fraktionschef Jens Kerstan und seine Kollegin von der Linken, Dora Heyenn: „Sie zementieren das Monopol von Unternehmen, die die Energiewende bekämpfen.“

Schlicht „ordnungspolitischen Murks“, nannte FDP-Fraktionschefin Katja Suding den Deal. Sie sprach von der „Scholz-Show“ eines Bürgermeisters, „dem die absolute Mehrheit zu Kopf gestiegen ist“.  SMV