Auf dem Rücken der Kröte

Auch eine „antropomorphe Personifizierung“ wie der Tod braucht mal eine Vertretung. Heute Abend feiert das erste offizielle deutschsprachige Musical nach Terry Pratchetts „Scheibenwelt“-Romanen in der Markthalle Premiere

Auch der Schnitter braucht mal Pause. Erst recht in einer Welt, flach wie eine Scheibe, getragen von vier Elefanten auf dem Rücken einer Schildkröte. Was für ein Glück für die „anthropomorphe Personifizierung“ mit menschlicher Gestalt, dass der junge Mort gerade auf der Suche nach einer Lehrstelle ist. Und so bietet ihm Gevatter Tod freie Kost und Logis und die unbeschränkte Nutzung des betriebseigenen Pferdes – für Beerdigungen naher Verwandter braucht er zudem natürlich keinen Sonderurlaub zu beantragen. Und der Junge macht seine Sache zunächst gut, der Tod fährt beruhigt in den Urlaub, um sich außerdienstlich unters Volk zu mischen und jenem ihm unbekannten Gefühl „Spaß“ auf die Spur zu kommen.

Aber auf der Scheibenwelt des britischen Fantasy-Parodisten Terry Pratchett zeitigt tot und lebendig zu sein schnell fatale Folgen. Weder lässt Morts neuer Job die Ergründung der Geheimnisse des Lebens zu, noch bietet er die Möglichkeit, unsterblichen Liebeskummer auszuleben. Denn just nachdem der stets in Großbuchstaben sprechende TOD – Arbeitsethos: „Es gibt keine Gerechtigkeit – es gibt nur mich“ – sich zwecks Studiums des menschlichen Wesens auf die Socken gemacht hat, verliert der junge Lehrling sein Herz an die Prinzessin Keli, die eigentlich einem Attentat zum Opfer fallen sollte. Statt ihre Seele pflichtbewusst ins Jenseits zu befördern, erschlägt er den Attentäter und bringt auf diese Weise die Geschichte der ganzen Scheibenwelt durcheinander.

Aus dem vierten von bisher 34 „Scheibenwelt“-Romanen – jedes 100. Buch, das in Großbritannien verkauft wird, stammt aus Pratchetts Feder – haben nun Matthias Weiher und Sabine Schindler das erste deutschsprachige Pratchett-Musical gefertigt. Acht MusikerInnen und zehn SchauspielerInnen bringen das Stück nun bis Mitte Januar zwölfmal unter der Regie von Schindler und Sven Bossy auf die Bühne der Markthalle.

Eine besondere Rolle nehmen dabei auch Puppen ein. Denn für Schindler entsprechen gerade sie „der bunten und bizarren Scheibenwelt“ und Pratchetts Stil: seinen „so überraschend und doch selbstverständlich zum Leben erwachten Allegorien“. Doch wie setzt man den hintergründigen Humor des Orang-Utan-Fans in einem Musical adäquat um? Indem man Sprachwitz und Handlung in Songtexte übersetzt und von einem Komponisten vertonen lässt, der sich „gar nicht erst auf einen Stil geeinigt hat“. Und indem man auch dem Genre „Musical“ stets mit einem Augenzwinkern begegnet. Und was beweist uns das? „Allein: Eine Eigenschaft der Götter scheint Sinn für Humor zu sein.“

ROBERT MATTHIES

15. / 16. / 17. 12 + 27. / 28. / 29. 12. + 03. / 04. / 05. 1 + 15. / 16. / 17. 1., je 20 Uhr, Markthalle, Klosterwall 11