: Das ewige Trainer-Talent
Manchmal entscheiden sich Karrieren innerhalb weniger Sekunden. Als am vergangenen Mittwoch der HSV Handball im Pokalspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen 40 Sekunden vor Schluss mit zwei Toren hinten lag, schien das Aus von Trainer Per Carlén besiegelt. Die Meisterschaft nach vier Niederlagen unerreichbar, die Aussichten in der Champions League unkalkulierbar, da blieb der Pokal die einzige Chance auf einen Titel.
Aber der HSV rettete sich in die Verlängerung, siegte mit einem Tor Unterschied – und Trainer Carlén durfte auch am Samstag im Liga-Spiel gegen Wetzlar noch auf der Bank sitzen. Dort musste er miterleben, wie der krasse Außenseiter Sekunden vor Schluss beim Stand von 26:25 für die Hamburger einen Siebenmeter bekam. Wenn Torwart Jogi Bitter den nicht gehalten hätte, wären sie hinter die SG Flensburg-Handewitt auf den 4. Platz zurückgefallen. Sogar die erneute Qualifikation für die Champions League wäre in ernste Gefahr geraten.
Per Carlén hat den wohl undankbarsten Trainerjob im Profi-Handball. Übernommen hatte er den HSV nach dessen größtem Triumph – dem erstmaligen Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Da die Mannschaft fast unverändert blieb, wurde von ihm eine Wiederholung des Coups erwartet. Dabei wurde vergessen, dass der Vorjahrserfolg durch das Verletzungspech der Kieler Konkurrenz begünstigt war – in Bestbesetzung ist der THW Kiel in Deutschland fast unschlagbar.
Die Situation ist für Carlén dadurch noch ungemütlicher, dass sein erfolgreicher Vorgänger Martin Schwalb nun sein Chef ist. Nach jeder Niederlage wird die Frage lauter, ob’s der Alte nicht doch besser kann. Zudem will das Gerücht nicht verstummen, dass für seine Verpflichtung als Trainer das Interesse der Hamburger an seinem Sohn Per ein wichtiges Argument gewesen sei. Der gilt als einer der talentiertesten Halbrechten der Welt, hat aber nach zwei schweren Knieverletzungen bislang noch kein Spiel für die Hamburger bestritten.
Auch Vater Carlén, der als Kreisläufer in 329 Spielen 1.032 Tore für die schwedische Nationalmannschaft warf, wird als Trainer immer noch als Talent wahrgenommen. Nach Stationen in St. Gallen und Malmö landete er 2008 als Co-Trainer in Flensburg, wo er nach kurzer Zeit mit Kent-Harry Andersson ebenfalls eine Ikone als Cheftrainer beerbte. Mit großer Energie setzte er neue Kräfte bei den kriselnden Flensburgern frei.
Sein Credo damals: Als Underdog die Großen ärgern. Es ist eine völlig andere Aufgabe, ein Starensemble davor zu bewahren, sich von den Underdogs ärgern zu lassen. RLO