: Unternehmen Frauenglück
ELEKTRISIERT Die angelsächsische Komödie „In guten Händen“ von Tanya Wexler erzählt davon, wie im viktorianischen England der Vibrator erfunden wurde
VON WILFRIED HIPPEN
Ja, auch diese Geschichte muss erzählt werden. Im späten 19. Jahrhundert wurde ausgerechnet im prüden Großbritannien der Vibrator erfunden. Und zwar aus rein medizinischen Gründen. Damals war die weibliche Hysterie in den Arztpraxen so in Mode wie heute der „burnout“. Eine durchaus als seriös angesehene Behandlungsmethode war das Stimulieren der erogenen Zonen der Patientinnen. Diese Handarbeit war für die ausführenden Mediziner hart und ermüdend, und so ist es nur konsequent, dass ein findiger Kopf ganz im Sinne seiner Zeit darauf kam, eine Mechanik zu entwickeln, die diese manuelle Tätigkeit überflüssig machte. Diese kuriose Randnotiz zur industriellen und sexuellen Revolution hat die amerikanische Regisseurin Tanya Wexler zusammen mit ihrem Drehbuchschreiber und Produzenten Stephen Dyer auf ihre komischen Möglichkeiten abgeklopft und daraus eine launige, erstaunlich zugeknöpfte Komödie gebastelt.
Der eher sanftmütige als energische Held des Films heißt Mortimer Granville und er ist ein Arzt, der am Ende des 19. Jahrhunderts solch hochmoderne Ideen wie jene vertritt, dass „Keime“ etwas mit Krankheiten zu tun haben könnten. Doch seine Vorgesetzten lassen sich nicht gerne von ihm sagen, wann sie ihre Hände zu waschen haben, und so wird er ständig gefeuert. Bis er in der Praxis von Dr. Robert Dalrymple auftaucht, der sich um die medizinischen Visionen des jungen Mannes nicht weiter schert, solange dieser nur starke und geschmeidige Hände aufweisen kann. Denn der gute Doktor hat sich auf eine Therapie von „Hysterie“ spezialisiert, und da diese nur bei Frauen aufzutreten scheint und diese mit seiner Behandlung sehr zufrieden sind, ist das Wartezimmer ständig mit Patientinnen gefüllt. Mortimer übernimmt die manuelle Behandlung und ist bald so beliebt unter den Hysterikerinnen, dass er bei seinen Therapien bald an seine körperlichen Grenzen stößt. Zudem irritiert ihn zunehmend eine der beiden Töchter des Hauses, die ihren sozialrevolutionären Idealen folgt und einen dramatischen Kleinkrieg mit ihrem patriarchalischem Vater ausficht. Der hat Mortimer schon als den idealen Gatten für die harmlose und langweilige Schwester auserkoren, doch es kommt zur Krise als Mortimers rechte Hand von Krämpfen geplagt ist. Zum Glück hat er einen reichen Müßiggänger zum Freund, der gerne mit den neusten Maschinen herum experimentiert, und gerade einen elektrischen Staubwedel entwickelt hat, der in der Hand so seltsam vibriert.
Während die typische Komödien-Dramaturgie mit dem unverzichtbaren romantischen Subplot ein wenig zu mechanisch abläuft (nach einer großen Rede vor Gericht wird plötzlich alles gut), haben sich die Filmemacher mehr Mühe mit der Zeichnung ihrer Charaktere gegeben. Da lacht man zwar gerne über die Reihe von „hysterischen“ Patientinnen und ihre eindrucksvollen Reaktionen auf die Behandlungen, aber auch sie werden dabei nie zu Karikaturen, sondern werden eher als die Avantgarde der sexuellen Revolution gefeiert.
Die eigentliche Heldin des Films ist dann auch die rebellische Charlotte Darymple, die für den sozialen Fortschritt kämpft, indem sie ein Armenhaus betreibt und die steifen viktorianischen Spießbürger schockiert, wo sie nur kann. Dies ist eine Paraderolle für Maggie Gyllenhaal, die sich als einzige amerikanische Schauspielerin in der Riege von erstklassigen britischen Kollegen (Jonathan Price als der steife Dr. Darymple, Rupert Everett als exzentrischer Gentleman/Erfinder) nicht nur gut einfügt, sondern auch mit ihrer Courage und Frechheit den anderen die Show stiehlt. Ein wenig wird dies, als habe die amerikanische Regisseurin Tanya Wexler eine moderne Stellvertreterin für sich selber in die historische Geschichte eingebaut. Als Identifikationsfigur für das wohl eher weibliche Zielpublikum ist sie auf jeden Fall geschickt gesetzt.
Von ein paar Lustschreien abgesehen, ist „Hysteria“ (so der eher irreführende Originaltitel) erstaunlich keusch. Selbst die Doktoren scheinen während ihrer Handreichungen nie unter die vielen Schichten von Röcken und Unterwäsche der Frauen zu schielen, und ein gynäkologischer Stuhl aus jener Zeit erntet einen großen Lacher, weil er eher wie ein Sichtschutz und nicht wie ein medizinisch sinnvolles Gerät wirkt. Aber auch wenn er in der Ausführung so jugendfrei gehalten wurde (FSK-Freigabe ab 12 Jahren), ist bisher in Großbritannien kein Kinostart vorgesehen. Der Titel einer anderen Komödie ist wohl immer noch aktuell: „No Sex Please, We’re British!“