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Archiv-Artikel

„Die Ohnmacht überwinden“

LESUNG Buchautor Tomasz Konicz diskutiert über die Krise und Auswege aus dem Kapitalismus

Von KSCH
Tomasz Konicz

■ 42, Journalist und Autor des E-Books „Aufbruch ins Ungewisse: Auf der Suche nach Alternativen zur kapitalistischen Dauerkrise“.

taz: Herr Konicz, der Kapitalismus steckt in der Sackgasse. Gibt es einen Ausweg?

Tomasz Konicz: Sicherlich, aber nicht systemintern. Also nur, wenn das System so transformiert wird, dass eine andere Gesellschaftsform entsteht. Ein anderes System müsste den Spätkapitalismus ablösen.

Warum fällt es so schwer, sich Alternativen zum Kapitalismus vorzustellen?

Weil wir halt in diesem System leben und ein Wesenskern der kapitalistischen Ideologie darin besteht, dass diese Gesellschaftsordnung natürlich erscheint. Auf verschiedenen Ebenen wird dieser Schein erzeugt und dadurch Herrschaft vermittelt.

Ist die Linke so sehr mit ihrer Verteidigung beschäftigt, dass sie Auswege nicht erkennt?

Nicht nur das. Es ist ja zur Zeit so, dass reaktionäre Kräfte in Europa überhand nehmen. Das Merkel’sche Sparregime hat verheerende Folgen für ganz Europa. Dieses reaktionäre Klima führt dazu, dass man ständig Abwehrkämpfe führen muss. Währenddessen krankt das System an inneren Widersprüchen. Aber die kapitalistische Ideologie schafft vermeintlich Schuldige: Die bösen Bänker, die faulen Griechen. Es scheint, als sei das System gut, aber die Menschen schlecht.

Was passiert, wenn der große Crash kommt und das System zusammenbricht?

Keine Ahnung. Dann gibt es erst mal einen Entwertungsschub. Kapital wird entwertet und wenn die Menschen nicht darauf vorbereitet sind, kann das schlimmste politische Konsequenzen haben. Wenn man dann überhaupt noch von Politik reden kann.

Wovon sonst, vom totalen Chaos?

Dazu kann ich keine Prognose geben.

Sie sprechen in Ihrem Buch vom „Transformationskampf“. Was bedeutet das?

Es finden ja schon verschiedene Kämpfe statt. Der IS kämpft für sein Kalifat, die Kurden kämpfen für Autonomie. Die arbeiten zwar nicht an der Revolution, aber unbewusst kämpfen sie für die Transformation des Systems.

Der IS führt den Transformationskampf? Das soll eine Hoffnung geben?!

Keine Hoffnung, aber es ist wichtig, die Ohnmacht zu überwinden, die die Menschen im Kapitalismus erleben. Wir müssen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs darüber führen, was wir wollen und wie wir dahin kommen. Der wäre dann schon die Keimzelle für eine zukünftige Gesellschaft.  INTERVIEW: KSCH

Tomasz Konicz liest und diskutiert: 20 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14