: Jukebox
Katholizismus schenken – dritter Vorschlag zur Güte
Kurz nachdem das Zweite Vatikanische Konzil (1962–65) in einem heroischen Akt der Fortschrittlichkeit anerkannte, dass die lateinische Sprache nicht mehr unter den Lebenden weilte und also die Heilige Messe auch in den jeweiligen Landessprachen gelesen werden dürfe, machte sich der argentinische Komponist Ariel Ramírez daran, die spanische Liturgie den Hörgewohnheiten des Andenraums angepasst zu vertonen. Als Grundlage für die fünf Teile der Liturgie (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei) wählte er ebenso viele folkloristische Rhythmen aus Argentinien und kombinierte diese mit Elementen klassischer Sakralmusik. Die Partitur wurde bereits 1964 in einer Studioaufnahme zum Leben erweckt; die erste Plattenpressung der Misa Criolla mit einer Auflage von 2.000 Stück war innerhalb eines Tages ausverkauft. Es folgten zahllose Neuinterpretationen, sowohl international bekannter Künstler als auch von Laienchören – inzwischen gilt die Misa als eines der bedeutendsten Werke der Kirchenmusik des 20. Jahrhunderts. Außerdem, und hiermit sei die lexikalische Abhandlung beendet, ist es eines der mitreißendsten Werke der unter anderem von Violeta Parra, Atahualpa Yupanqui und eben Ramírez für die Weltöffentlichkeit erschlossenen traditionellen Musik Südamerikas. Schon die Originalaufnahmen mit folkloristischer Instrumentierung gehen richtig unter die Haut. Das war aber noch nicht alles. Die gewaltig hochpolierte Interpretation der argentinischen Superdiva Mercedes Sosa z. B. steigert dieses Gefühl noch und macht deutlich, warum Gesang nicht selten weitaus überzeugender als jede Missionspredigt sein kann. Das druckvolle Credo und das sinfonisch angelegte Gloria lassen schaudern, und der religionsferne Ästhet muss aufpassen, nur Sosas Stimme anzubeten. Für stolze 25 Euro lässt sich die Misa Criolla am 25. 12. in der Passionskirche (Marheinekeplatz) im Selbstversuch erproben. KRT