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Archiv-Artikel

Unser Mann im Weltfußball

Der Hannoveraner Babak Rafati rückt auf die Fifa-Schiedsrichterliste nach. Gegenüber den Kollegen gibt er sich fast schon demütig, aber die eigenen Leistungen sieht er durchaus selbstbewusst

VON MICHAEL QUASTHOFF

Heute tritt Weltschiedsrichter Markus Merk von der internationalen Bühne ab. Mit 45 Jahren hat er die Altersgrenze erreicht und wird nur noch Bundesligapartien pfeifen. Den freien Platz auf der begehrten Fifa-Liste vergab der DFB an den Hannoveraner Babak Rafati. Eine gute Wahl: Der Mann ist sympathisch, eloquent und macht auch bei den Zuschauerinnen bella figura. Aber wie sieht es drinnen aus? Hans Blickensdörfer, der Nestor des deutschen Sportjournalismus, schrieb einmal, es brauche „schon eigenartige Gesellen für den Schiedsrichterjob“. Jahrzehntelange Studien hatten ihn tief blicken lassen. Sein Fazit: „Idealismus, Hilfsbereitschaft, Rechtschaffenheit, Ehrgeiz, Machthunger und auch Neid sind die Komponenten ihrer Psyche“. Neben dem „Masochismus“ selbstverständlich. Insgesamt, so Blickensdörfer, „eine Mischung, die immun macht gegen die vordergründige Tatsache, dass sie von Spielern und Publikum als notwendiges Übel betrachtet werden“.

Ist Rafati also ein Masochist? Die Antwort heißt selbstredend: „Nein.“ Auch als notwendiges Übel würde er nur ungern gesehen werden. „Ein Schiedsrichter muss souverän und selbstkritisch sein und darf sich von Kritik nicht beeindrucken lassen.“ Am Ende setzten sich immer die durch, „die die besten Nerven haben.“

Mit den sattsam bekannten großen Fußstapfen, in die er nun treten wird, möchte Babak Rafati aber gar nicht erst belästigt werden. Er sei ja nur nominell Merks Nachfolger, sagt der 37-jährige Bankkaufmann. Er werde sich naturgemäß ganz unten anstellen müssen, dass heißt im UI- und Uefa-Cup oder bei U 21-Spielen. „Ich glaube kaum, dass man mich gleich zur EM schickt oder ein Champions-League-Finale pfeifen lässt.“ Merks Name fällt nicht einmal, als es um ein Vorbild unter den Referees geht. „Das“, sagt Rafati, „würde ja heißen, ich stelle ihn über die Kollegen Brych, Fandel, Gräfe, Kinhöfer, Kircher, Meyer, Stark, Sippel und Weiner“, die ebenfalls auf internationaler Ebene schiedsen. So etwas hört man beim DFB-Schiedsrichterausschuss nicht gern, also sagt es Rafati nicht, falls doch mal ein Champions-League-Finale …

Aber es gibt in Deutschland keinen Schiedsrichter, den Merk nicht geprägt hätte. Statt einfach nur ein Match zu pfeifen, betreibt er „Spielmanagement“, statt zärtlich „blinde Bratwurst“ (Fredi Bobič), besteht er darauf, dass man ihn „Leistungssportler“ tituliert, „Einzelkämpfer“ und „Psychologe“, gern auch „Mittler zwischen Menschen und Mannschaften“ oder „Fußballer, Spezialgebiet Schiedsrichterwesen“. So befördert, möchte der Pfälzer nicht erleben, dass ihm ein Riquelme, Figo oder van der Vaart den Rang abläuft. Er sieht sich auf gleicher Höhe, denn, so sagt Merk, „wir haben keine 10 auf dem Rücken , aber irgendwo sind wir auch Spielmacher“.

Rafati sieht das ganz ähnlich, würde es aber nie so offensiv formulieren wie der mit dem Bundesverdienstkreuz behängte Dr. der Zahnmedizin. Stattdessen sagt er, der Schiedsrichter betreibe „eine Sportart innerhalb des Fußballs“ und das weit erfolgreicher als andere Spezialisten. Hätte ein Schiedsrichter bei seinen Entscheidungen die gleiche Fehlerquote wie ein Mittelstürmer bei den Versuchen das Tor zu treffen, „wäre er nach zwei Spielen weg vom Fenster“. Es gibt allerdings Leute, die Rafati noch 2006 eine gewissermaßen Mike-Hanke-hafte Berufsauffassung bescheinigten. Sie wohnen vorrangig in Aachen und Stuttgart, wo er ein paar ebenso klare wie spielentscheidende Elfmeter nicht gegeben hat. Nach der Partie der Schwaben gegen Mainz tobte VfB-Manager Horst Heldt: „Er war der schlechteste Mann auf dem Platz. Wenn man sieht, wie er gepfiffen hat, braucht man sich nicht zu wundern, dass wir international hinten anstehen“.

2007 habe er aber „Gott sei Dank“ nur gute Noten bekommen, sagt Rafati lachend, der mit Sportjournalisten gern über alles diskutiert, nur nicht über sein Handwerk. „Da ist die Kritik ist meistens nicht fachlich.“ Da verlässt er sich lieber auf die Beobachter des Verbandes und ist, so viel lässt sich sagen, bis jetzt sehr gut damit gefahren.