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Archiv-Artikel

Haftstrafen für Clan-Angehörige

URTEIL Zwei Brüder einer als kriminell geltenden Großfamilie werden wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch verurteilt. Die Richterin schimpft über die Medien und verteidigt die Polizei

Die Richterin warf der Presse eine „Vorverurteilung“ der Angeklagten vor

„Überlang“ habe es gedauert, räumte Richterin Monika Schaefer vor der Urteilsbegründung ein. Am Freitag schließlich endete nach 42 Verhandlungstagen der sogenannte „Phoenicia“-Prozess am Bremer Landgericht. Die Brüder Sami und Halil M. wurden wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung zu Haftstrafen von 28 und 33 Monaten verurteilt.

Vor dem „Phoenicia“, einem Lokal im Bremer Steintorviertel, war es im September 2009 zu einer Auseinandersetzung zwischen Angehörigen zweier arabischer Großfamilien gekommen, es gab mehrere Verletzte. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer allerdings gefordert, die Angeklagten aus Mangel an Beweisen freizusprechen und dabei die Polizei ungewöhnlich heftig kritisiert. Diese habe „einseitig“ zu Lasten der Brüder ermittelt, Druck auf Zeugen ausgeübt und fragwürdige Vernehmungsmethoden angewandt. Unter anderem seien Zeugen bei der Vorlage von Bildern möglicher Täter auf die Angeklagten besonders hingewiesen worden.

Das Gericht stellte fest, es habe „keine Hinweise auf verbotene Vernehmungsmethoden“. Ob es eine manipulative Beeinflussung von Zeugen gegeben habe, sei „letztlich nicht zu klären“. Die Beteiligung der Brüder an den Kämpfen im „Phoenicia“ stehe in jedem Fall fest. Ebenso wie eine weitere Körperverletzung und die Bedrohung von Mitarbeitern der Bremer Ausländerbehörde. Die beiden hatten 17 Monate in U-Haft verbracht, dies wird auf ihre Strafe angerechnet. Bis zur Rechtskräftigkeit des Urteils kamen sie auf freien Fuß.

Lokale und überregionale Medien hatten die als schwer kriminell geltende Familie M. mehrfach als eine Art libanesische Mafia bezeichnet. Entsprechend fiel die Berichterstattung über den Prozess aus. Die Richterin warf der Presse eine „Vorverurteilung“ der Angeklagten vor. Diese sei wegen der „psychischen Belastung“ als strafmildernd zu werten – ebenso wie die überlange Prozessdauer.

Während des Prozesses hatten Zeugen ihre Aussagen widerrufen. Einer behauptete, er leide an Alzheimer, ein anderer wollte die M.s „aus Wut“ zu Unrecht beschuldigt haben. Eine Schwester wollte die beiden mit einer „Gefälligkeitsaussage“ entlasten, habe sich aber in Widersprüche verwickelt, so die Richterin.

Halil M. hatte noch eine zweijährige Bewährungsstrafe offen, die in das Urteil einfloss. Weil er einen Arbeitsvertrag vorgelegt hat, soll er seine Strafe im offenen Vollzug absitzen können. CHRISTIAN JAKOB