: So eitel wie blöd
TV „Russisch Roulette“: sehenswerter Vorspann
Der Vorspann von Teil zwei des ARD-Zweiteilers (Montag und Dienstag, 20.15 Uhr) von Joseph Vilsmaier sieht nicht schlecht aus. Aufsicht auf ein Roulettespiel. Die Kugel rollt. In der linken Bildhälfte ist da plötzlich ein schwarzer Balken, wird breiter, teilt das Bild. Detailaufnahmen vom Spieltisch. Dann ein Revolver, der geladen wird und an der Schläfe eines Mannes aufliegt. Immer schneller geht das, öffnen sich die Fenster, schieben sich von der Seite ins Bild.
Split Screen heißt die Technik und war in den Sechzigern eine kurze Zeitlang sehr en vogue. In Hollywood hatte man damals schon spezielle Motion-Designer eingesetzt: Spezialisten nur für einen richtig gut aussehenden Vorspann. Im deutschen Fernsehen ist natürlich alles eine Nummer kleiner, da besorgen die Regisseure diese Arbeit noch selbst.
Leider macht Vilsmaiers wirklich ambitionierter Vorspann aber eben auch nur ein Minütchen von insgesamt knapp 180 Minuten aus. Und die sind nicht mehr ganz so beeindruckend. Katharina Böhm spielt Katherina Wagner. Die gerät, kaum ist sie in St. Petersburg angekommen, in einen schlimmen Schlamassel: Ihr Kind verschwindet, ein Mann wird erschossen. Katherina muss sich verstecken und hat „keine Ahnung, warum.“ Der Zuschauer hat lange auch keine Ahnung. Und wenn es endlich mal eine Erklärung gibt, dann muss die natürlich möglichst mysteriös sein: Von weißen Damen und Skorpiontypen ist die Rede. Die Skorpiontypen sind die Bösen – Geheimbündler, Verschwörer. Zum Glück sind sie so eitel oder blöd, dass sie sich Skorpione eintätowieren oder ihren Gehstock damit verzieren lassen. Einen Guten gibt es auch: Einen Schutzengel, der immer genau dann auftaucht, wenn Katherina ihn braucht. Der wird gespielt von Heinz Hoenig. Und Hoenig trägt so dick auf, dass es zwar nicht sehr realistisch, aber gleichwohl gerade deshalb eine Freude ist. Herrlich, wie er mit seinem klapprigen Kleinbus durch die Stadt heizt und – ansonsten tadelloses Hochdeutsch sprechend – den Namen „Katherina“ in einer Weise intoniert, die Hoenig wohl für irgendwie slawisch hält. Sein Spiel macht es möglich, den Film nicht so ernst zu nehmen, wie er ganz sicher gemeint ist. Man könnte natürlich auch einfach – den Vorspann gucken und dann abschalten.JENS MÜLLER