: Im heiligen Ehebett finden sie zueinander
FILM AUS JAPAN „Manji. Die Liebenden“, ein Melodram von Regisseur Masumura Yasuzô, läuft am Samstag im Babylon Mitte
Die „Nachtschicht“ ist ein schönes Programm, dass an die großen Zeiten der Programmkinos der 70er und 80er Jahre erinnert. Einmal monatlich am späten Samstagabend werden im Babylon Mitte wilde Filme „jenseits von Arthouse und Mainstream“, wie man so sagt, gezeigt. Wobei die Grenzen fließend sind.
Masumura Yasuzô (1924–1986), der Regisseur des Liebesdramas „Manji. Die Liebenden“ (1964), das an diesem Samstag – leider nur in einer deutschen Version – gezeigt wird, ist ja kein Trashfilmer, sondern gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des sogenannten Taiyozoku-Genres (wörtlich: „Abkömmlinge der Sonne“), das die Generation der 50er-Jahre-Jugendlichen beschreibt, die den Krieg nicht mehr bewusst miterlebt hatte.
Blutvolle Menschen
Die Vertreter dieses Genres, das später fließend in die japanische Nouvelle Vague (Oshima, Shinoda usw.) überging, wandten sich gegen die stillen Charakterdarstellungen der Großmeister (Ozu, Mizoguchi etc.). Statt „den verläßlichen Menschen, der klug die Realität berechnet“, wolle er „den verrückten Menschen zeigen, der schamlos und ohne Rücksicht auf seinen guten Ruf seine Wünsche zum Ausdruck bringt“, schreibt Masumura in seinem Manifest „Eine Verteidigung“ (1958). Ziel sei es, „das Wollen und die Leidenschaft blutvoller Menschen in übertriebener Weise zu schildern“.
Das gelingt ihm besonders gut in dem melodramatischen Liebesfilm „Manji“, einer der wenigen Arbeiten, die auch außerhalb Japans bekannt sind. Sicher auch, weil das Sujet skandalträchtig war, geht es doch um lesbische Leidenschaften, die in einer tragischen Ménage à trois enden.
„Manji“ ist also ein kunstvoll verschachteltes Kammerspiel, das sich aus Binnen- und Rahmenhandlung zusammensetzt. Ein alter Mann, die Figur eines Psychoanalytikers, hört sich aufmerksam schweigend die Geschichte an, die ihm Sonoko erzählt. Sonoko ist mit Kotaro verheiratet. Die Ehe ist leidenschaftslos. Sie besucht Aktmalkurse an einer Kunstschule und verliebt sich dabei in eine andere Studentin, die schöne Mitsuko, die ihrerseits in einer unbefriedigenden Ehe lebt.
Im heiligen Ehebett finden sie zueinander. Ihre Liebe ist immer schon Übertretung und wird von Todeswünschen begleitet. „Ich möchte dich töten“, sagt Sonoko zu Mitsuko in der ersten Liebesszene. „Ich möchte von dir hingemetzelt werden“, antwortet die Freundin.
Ihre Liebe zu Mitsuko sei wie Kunst, erklärt Sonoko ihrem Mann, der Verdacht schöpft. Als Künstlerin müsse sie sich beim Malen in die richtige Stimmung der Verliebtheit bringen. Und später: Es gebe keinen Grund zur Eifersucht, da es sich um unterschiedliche Formen des Begehrens handle. Noch später verliebt sich auch Kotaro in Mitsuko.
„Manji“ spielt die unterschiedlichen Ebenen von Liebe, Idolisierung, Begehren, Verführung und Betrug auf eine aberwitzige Weise durch. Die Vorspielung falscher Tatsachen und Liebe gehen ineinander über. Genretechnisch liegt das Melodram zwischen Antonioni und Exploitation, und das tragische Ende ist so überraschend wie großartig.
DETLEF KUHLBRODT
„Manji. Die Liebenden“. Regie: Masumura Yasuzô. Mit Wakao Ayako, Kishida Kyôko u. a. Japan 1964, 74 Min., dt. Fassung. Am 11. April, 22 Uhr im Babylon Mitte