Q U E R S P A L T E Saufen für den Sozialismus?

■ Anti–Schluckkampagne bringt UdSSR Finanzprobleme

Jetzt ist es amtlich: Im real existierenden Sozialismus muß man alles, ausnahmslos alles dialektisch sehen, auch und gerade den subjektiven Faktor, in Sonderheit auf dem Genußsektor, und dort wieder ganz speziell: das Saufen. Und das kommt, wie Gorbatschow auf dem ZK–Wirtschaftsplenum analysierte, so: Die hohen Import– Ausgaben waren in früheren Jahren durch Erlöse aus dem internationalen Erdölverkauf und dem nationalen Wodka–Konsum abgefangen worden. Im achten Planjahrfünft (1966–70) war unter der Führung von Breschnjew und Kossygin ein Umsatzsteuervolumen von 67 Milliarden Rubel in die Staatskassen geflossen. Das war zu wenig; Breschnjew konnte nicht schuld sein - er wirkte ja selbst stets etwas angetrunken. Also wurde Kossygin ausgewechselt. Der neue Mann, Tschernjenko, kippte mächtig los und riß das Sowjetvolk im elften Planjahrfünft (1981–85) zu einer Plansauf–Übererfüllung von 169 Mrd. Rubel mit. Leider hielt er, wie man weiß, die strapaziöse Vorbildrolle nicht lange durch. Gorbatschow, der offenbar keinen Sprit verträgt, hat mit seiner Anti– Schluck–Kampagne sowie der damit verbundenen Schließung von Brenn– und Brauereien das Land zu Beginn des zwölften Planjahrfünfts „mit einer schweren finanziellen Bürde“ belastet. Seit einiger Zeit hört man noch dazu, daß viele Sowjetbürger auf illegalen afghanischen Shit umsteigen, der natürlich, umsatzsteuermäßig betrachtet, katastrophal antisozialistisch durchschlägt. Was tun? Klaus Nothnagel