: Unkontrolliert verboten
■ In Bremen keine Strahlen-Überprüfung von Import-Lebensmitteln / Örtliche Gewürzfirmen kein Interesse an Bestrahlung / Strahlendosen kaum nachweisbar
Hmmm ...! Auf dem kalten Bufett sind leckere französische Pfefferkäse aufgebaut. Shrimps und Garnelen aus Holland lassen das Wasser im Munde zusammenlaufen. Ein Auflauf aus belgischen Kartoffeln zieht verführerisch in die Nase. Wer sich mit Heißhunger über die Leckerbissen hermacht, sollte sich keinen Illusionen hingeben: Die schmackhafte Importware wurde möglicherweise im Herkunftsland mit radioaktiven oder Elektronenstrahlen behandelt. Zwar ist hierzulande die Lebensmittel-Bestrahlung verboten und folgerichtig auch der Import strahlenbehandelter Lebensmittel untersagt. Aber die Chance, daß bestrahlte Gaumenfreuden von behördlichen Wächtern erkannt und aus dem Verkehr gezogen werden, ist gering. So recht fühlt sich niemand zuständig, das Import -Verbot kontinuierlich zu überwachen.
In Bremen gibt es nach Informationen des Gewerbeaufsichtsamtes keine Unternehmen, die Lebensmittel -Bestrahlungsanlagen haben. In den Häfen werden zwar radioaktive Güter nach den Bestimmungen der Strahlen
schutzverordnung umgeschla gen. Strahlenbehandelte Lebensmittel jedoch fallen nicht darunter. „Da haben wir nix mit zu tun“, sagt Siegfried Riegert vom Hafenamt.
Zuständig für Lebensmittel ist die Gesundheitssenatorin. Normalerweise betraut sie ihre „Staatliche Chemische Untersuchungsanstalt“ mit der Auswertung von Lebensmittel -Proben. Doch in der St.-Jürgen-Straße verfügt man nicht über die aufwendige Apparatur, um Lebensmittel auf vorherige Strahlenbehandlung zu untersuchen. An der Universität gibt es zwar ein Gerät mit dem unaussprechlichen Namen Thermolumineszenz-Dosimeter. Der wird aber für andere Messungen gebraucht.
Tatsächlich ist der Nachweis nur mühselig zu führen. Denn die Strahlen in der Nahrung hinterlassen so gut wie keine spezifischen Rückstände, die den Importeur überführen könnten. Bis heute sind Wissenschaftler nicht in der Lage, die tatsächliche Strahlendosis zu messen, der ein Lebensmittel ausgesetzt war. Selbst vielversprechende Anayl
severfahren versagen, wenn die Bestrahlung längere Zeit zurückliegt. So kann man für den Nachweis die Tatsache nutzen, daß radioaktive Stoffe beim Erhitzen Licht in winzigen Mengen abgeben (Thermolumineszenz-Methode). Damit können WissenschaftlerInnen zwar beweisen, ob Gewürzpaprika in den letzten zwölf Monaten Strahlen abbekommen hat. Bei Gewürznelken dagegen ist eine solche Bestätigung bereits einen Monat „danach“ nicht mehr möglich.
Wenig Hoffnung, unredliche Importeure zu überführen, macht mensch sich auch bei der Bremer Verbraucherzentrale. „Wie soll der Verbraucher das feststellen? “, fragt sich Beraterin Regina Aschmann. Trotzdem melden sich häufig besorgte VerbraucherInnnen. „Die denken, das Lebensmittel ist jetzt selber radioaktiv wie nach Tschernobyl“, nennt Regina Aschmann häufige Anfragen.
Zahlreiche VerbraucherInnen-Korrespondenz bekommt auch Karl -Günter Jahn von Bremens größter Gewürzfirma Ubena. „Sind Ihre Gewürze bestrahlt?“
wollen die Liebhaber von Majoran und Cayennepfeffer wissen. Sie sind es nicht, beteuert Jahn. Die Firma Ubena habe keine Bestrahlungsanlage, nicht mal für den Export. Für ausländische Mägen übrigens wäre die Lebensmittel -Bestrahlung völlig legal. Bei Kosten von 1,50 Mark pro Kilogramm sei die Bestrahlung jedoch zu teuer. Selbst wenn Bestrahlung mit der EG-Harmonisierung erlaubt wird, kämen Elektronenstrahl und Kobalt-60 für Ubena nicht mit in die Tüte. Den bestrahlten Gewürzen, die dann mit einem Strahlenzeichen zu kennzeichnen wären, sagt Jahn eine Karriere als Ladenhüter voraus: „Die Produkte sind dann tot.“ Keinen Bedarf an Bestrahlungsanlagen meldet auch die Gewürzmühle Nesse in Loxstedt bei Bremerhaven. Für Susanne Langguth vom Bonner „Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde“, einem Verband der Lebensmittel -Wirtschaft, dagegen ist es keine Frage: Das „schöne Verfahren zur Entkeimung von Gewürzen“ kommt, und dann wird es auch billiger. b
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