BLUBBERN IM BASSÄNG

■ „Musik“ im Schwimmbad Neukölln von Eller und Haubrich

„Ab 19.30 wird der Badebetrieb durch eine 'Musikalische Darbietung‘ begleitet“, warnte ein knallrotes Schild an der Kasse des Stadtbades Neukölln, wo es an diesem Abend neben Eintrittskarten auch mahnende Worte für die Stammkundschaft gab und manch einer grummelnd seinen Beutel umarmte und von dannen schritt.

Kontrastreich glänzten dazu die erwartungsfrohen Gesichter schwarz-bunt gekleideter Gestalten, deren dezente Blässe verriet, daß sie dieses Jahr noch kein Freibad besucht haben. In den Umkleidekerkern steigerte sich die Vorfreude zum Inferno wie bei Jungs am Baggersee, wenn endlich die Fahrräder in den Sand geworfen sind und alle naßwärts stürmen. Ein SFB-Team mit todschicken Bademänteln (Dienstkleidung?) und Sonys turnte herum, während letzte Kontrollblicke auf eigene und fremde Badewäsche geworfen wurden.

Das Bad verfügt über hübsche, neoklassizistische Architektur und eine tolerante Bademeisterschaft und durfte sich deshalb schon zum zweiten Mal über den Besuch von Klanginstallateuren freuen. Beim letzten Mal, vor etwa einem Jahr, lag das Vergnügen eindeutig auf Seiten der Künstler, derweil etwa 200 gut verpackte Menschen Gähngrimassen austauschten. Diesmal war das chlorgefüllte Becken der Geschehnisraum. Dutzende aller modischen Accessoirs beraubten Kunstsympathisanten schoben ihre reichlich nackten Körper unauffällig ins Wasser und paddelten staksig herum, die Männer peinlich darauf bedacht, die häßlichen Siebziger -Jahre-Pop-Designs unterhalb der Oberfläche zu halten, während die Frauen mit schwarzen Einteilern auf brauner Haut am Beckenrand glänzen konnten.

Da mußte Mann durch, die Lippen färben sich blau, die Augen rot und der Entschluß, sich endlich um einen scharfen Tanga zu kümmern, nahm konkrete Formen an. Das ungewohnte Fleischmarktambiente ließ die Blicke huschen und Bäuche einschrumpfen, während die schützenden Hemden und schnittigen Hosen in den Schließfächern moderten. Rückblickend auf pubertäre Gewohnheiten fand man schließlich den richtigen Ton, plantschte herum und spritzte sich naß und bemerkte auch irgendwann das, weswegen man eigentlich gekommen war: Irgendwo zirpte etwas, das sicher nicht die Wasserumwälzanlage war.

Träge wie ein Wannseedampfer rollten die Töne aus den Boxen, herunter auf das Gejohle im Wasser und rein in die kalte Chemosuppe. Zehn Zentimeter darunter klang es wie ein vorbeirauschender Supertanker, beim Auftauchen wie an einer Autobahnraststätte. Zwei junge Männer schlugen und streichelten im Schweiße ihres Angesichts auf ein Saiteninstrument ein und grinsten sich hinter unbewegten Gesichtern einen. Vermutlich. Denn der größte Spaß war es doch, das eisgekühlte Vernissagenpublikum einmal zwischen Identitätskrisen und hinterhältigen Wellen herumzappeln zu sehen. Ulrich Eller und Paul Habrich verschonten das Publikum mit Besinnlichkeits- und Kunst-Gedusel, sie produzierten die Geräusche, die der Raum verträgt, und die richtige Atmosphäre: kunstfreie Zone mit Badefreuden und melodischem Gebrumme.

rah!