DER LETZTE WALZER

■ Die Car-Killer-Show

Die Spannung steigert sich nur langsam. Noch tanzen die Autos wie auf der Schlittschuhbahn. Solo und paarweise drehen sie schleudernd Pirouetten und die Motoren heulen zur Disco-Musik. Niemand johlt so richtig begeistert, obwohl der Anheizer vormacht, wie das geht, und um Applaus förmlich bettelt. Ohne Musik geht nichts bei der „Live-Show aus der Serie 'Der 7. Sinn'“. Trotzdem ist sensibleren Naturen jetzt schon schlecht. Die Fahrer setzen noch nicht einmal Helme auf, dafür hängt der rasenden Jungfrau ein künstlicher langer, blonder Zopf hinten aus der Mütze, als Erkennungszeichen. Nie würden all die löwenmähnigen braungebrannten Zuschauerinnen hier solche Zöpfe tragen.

Endlich läßt der Chef die Sau raus und kutschiert seinen Schrott über die Kipp-Rampe zwecks Fahrens auf zwei Rädern. Schon besser. Aber alles irgendwie immer noch viel zu elegant, als daß der Blutdurst der Menge gestillt werden könnte. Eindeutig, hier sind Künstler am Werk und keine Killer. Das Fahren auf zwei Rädern ist auch nichts anderes als die Arabesken auf einem Bein beim Eiskunstlaufen, wenn die Autos langsam mit in die Luft gestreckten Rädern in Schlangenlinien dahingleiten und das Mädchen schließlich gar noch aus dem Fenster klettert, um halb auf dem Dach, halb auf der Seitentür stehend, das zu wiederhohlen, was das Auto ihr vormacht: die anmutige sanfte Pose aus der Fiat-Uno -Werbung. Und wenn der Motorradfahrer über eine Rampe durch ein Flammentor fliegt, erinnert das vor allem an Tiger in der Zirkusmanege, nur daß sich hier die Mensch-Maschine selbst dressiert.

Doch jetzt dürfen erst eine und dann 13 Damen mit dem Chef auf zwei Rädern fahren. Ja, ja, das Auto hat schon so manche Ehe durcheinandergebracht und so manche Kleinfamilie zahlen und horizontmäßig schwer erweitert. Gleich streikt der Fahrer: „Die greifen mich an!“ „Jetzt müßte man ihm die Hose runterziehen“, flüstern zwei Mädels neben mir und kichern. Aber für den berühmten Hochgeschwindigkeits-Fick ist die Kiste einfach zu langsam und auch die entscheidende Karambolage findet nicht statt. Einmal allerdings doch. Wenn die Tochter auf der Motorhaube mit gespreizten Beinen mit dem Kopf voraus festgebunden wird und samt Auto durch einen benzingetränkten schwarz qualmenden brennenden Zaun bricht.

Bis dahin wird die ganze „sensationelle Auto-/ Motorrad-/ Monster-Truck- (Big-Foot-) Show“ von einer seltsamen Mischung aus Zirkuskunst und Erotik bestimmt, weshalb wohl auch die lederbehosten, kampfhundebesitzenden Bierdosenträger nicht so recht auf ihre Kosten kommen. Nur einmal bietet sich eine reelle Chance, Blut zu sehen, wenn der gerade vom letzten überschlag notdürftig am Dach wieder ausgebeulte Kadett sich noch einmal sechs oder siebenmal überschlägt, auf dem bis auf die Sitze gedrückten Dach liegen bleibt und der Fahrer keine Chance zu haben scheint, unbeschädigt aus der Quetsche herauszukommen. Kommt er aber doch. Und dann kommt nur noch der Show-Down mit „King-Kong“, dem riesenberäderten Monster-Truck, der alle alle macht: der Opfertod.

grr