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Und bist Du nicht billig, so kriegst du Gehalt

■ Dreiteilige Interviewreihe „Wiedersehen mit der Revolution“ von und unübersehbar mit Daniel Cohn-Bendit. Samstags, Nord III, 20.15 Uhr

Die unerträgliche Seichtigkeit des Kleins: Weil er immer noch gesucht werde (“... von beiden Seiten!“), kann H.J. Klein stolz nur als Maske auftreten - was besonders glaubhaft wirkt, weil Klein-Familie und -Gegend im Bild gut zu erkennen sind. Es tritt auf der super- gefährliche Exkiller im passenden Kostüm als „Don Giovanni“. Wer das nicht sah, glaubt es nicht. Er enthüllt in theatralischer Wahrheitsliebe, daß Abu Nidal Linksguerilla und Faschisten gemeinsam trainierte, daß „die Guerilla antisemitisch“ sei, Yehudi Menuhin ganz oben auf ihren Tötungslisten stünde; Don „Carlos“ dagegen wäre ein rechter Elegant, „der sich im Restaurant zu benehmen weiß, nicht so wie wir“, dafür aber dem Besitzer vom Marks & Spencer ganz unelegant ins Maul schoß, nur weil der Jude ist. Dies alles in breitestem häs -sisch.

Dann folgt der köstliche Höhepunkt dieser wechselseitigen Vergrößerungsposse (Motto: Wie wir zwei beide einmal die Welt in Atem hielten.)Cohn-Bendit fragt Klein, den Sohn eines Nazi und einer Jüdin: „Wie kommt so'n Frangforder Jung zum Arm der Revolution?“, und da ist die Antwort natürlich „Böse“, Wilfried, denn hätte der Bedeutende Dany nach Gründen gefragt, hätte der „Klein-Klein“ (so nennen sie den heute noch) vielleicht geantwortet, daß er früh die Nase voll hatte davon, für eingebildete Revoluzzer die Autos billig zu sanieren und nicht immer nur klein, sondern auch mal böse sein wollte, und bedeutend.

So aber bringt CBs Film „echte“ Originalenthüllungen aus der Terrorszene. Sensationell! Bedeutend! Damit die Fernsehanstalten Dany den Schwätzer wichtig nehmen, präsentiert er Klein, diesen offenkundigen Psychopathen, als Zeitzeugen. Gut, der Apparat will betrogen sein. Aber die Zuschauer?

Und sowas war mal mein Medienheld! Im Deutschen Winter nach Schleyer wars, als Schmidt-Böllings Totschweigegebot die Selbstmordziffern der Dreißigjährigen hochpushte, da rief mich ein Wiener Freund an, und berichtete mir Jung-Danies mutige Tat: In einer Talkshow habe er live zum Fall Sch. gesagt, der hätte doch jetzt nur das bekommen, was ihm 1942 beim (gelungenen) Attentat auf Heydrich zugedacht war, wo der SSler, Gleichschalter und Judenjäger in Prag damals nur zufällig nicht mit im Auto saß. Dieser legendäre „Club 2„ -Auftritt passierte in Österreich, hier wäre man für sowas gleich vergittert worden. Darüber sind zehn Jahre ins Land gegangen und es hat sich an den Verhältnissen nichts geändert, außer daß Dany nun selbst filmen darf: Prompt nennt er den Sch. nun einen „glaubwürdigen Demokraten“. Dany zeigt dankenswerterweise das berühmte letzte RAF-Video, sonst nur als Standbild zu sehen, in dem das Schmißgesicht laut Böll u.a. angeblich so mitleiderregend menschlich wirkt - unter der herrschenden Mafia Schrecken zu verbreiten, war nun mal Job der Guerilla.

Ansonsten hat dieser Film mit Politik soviel zu tun wie „Bitte Umblättern!“ mit Kultur: Immer unterwegs. Dany in Rio vorm Zuckerhut: „ICH traf Fernando Gabeira 1984 während einer Reise nach Brasilien“, ebenso den Entführer von BRD -Botschafter Holleben, Alfredo Sirkis, der den einzigen brauchbaren Satz der ganzen Sendung sagt: „Damals lohnte sich das Kidnappen noch.“ (49 Befreite immerhin...)

Dany malerisch im Herbstgarten: „Klein überraschte MICH, früher hatte er MEIN Auto repariert.“

Dany in Rom: „Valerio Morucci, MEIN Freund“, jetzt sitzt der Rotbrigatist 4x lebenslänglich, und seine schöne Freundin spricht: „Ich fühle mich nicht mehr im Konflikt mit dem Staate“, und dabei bricht von rechts ins Bild, weiß und fern durch die milchigen Glassteine des Knastfensters, Italiens Sonne, die sie nie mehr sehen soll (2 x Lebenslänlich). Dany merkt nichts.

Dany im Off:„ICH traf Rudi '67 das erstemal in Berlin, bei einer Demo. Damals war er der Rote Rudi und ICH Dany, der Unbekannte.“ Das wurmt. Bis heute.

Dabei ist das ganze auch noch gut gemeint und soll dem Staats- „Dialog mit dem Terrorismus“ aufhelfen, dieser Nachtidee liberaler Untäter mit schlechtem Gewissen (Vollmer'Mehr'CB) oder schlechtem Gedächtnis (Bölling, Baum). Dieses eine wenigstens hätte der Film leisten können: Zeigen, wann und warum Linker „Terror“ sinnvoll ist. Zum Beispiel stoppte der RAF-Anschlag auf den NATO-Computer in Heidelberg 1971/72 für Monate die Bombardierung Vietnams, das war mehr als alle Sit-Ins und Kongresse jemals konkret erreicht haben; das Abfackeln der „Asylanten„-Akten in Berlin 1987 bedeutete für Hunderte neue Chancen und einige Wochen relative Sicherheit. Und hätte die Verschwörung des Wehrmachtsadels gegen Hitler geklappt (übermorgen wieder Feiern, Heulbojen und Kränze) hätte das zwar nicht Freiheit bedeutet, aber Millionen weniger Opfer und wenigstens das Ende der Vergasungen.

Dany dagegen fragt sich: „Warum bin ICH nicht Terrorist geworden?“ Wahrscheinlich weil er Angst hatte, in einem Zellenblock am Fensterkreuz erhängt zu enden, oder mit dem eigenen Hirn im Gulasch wie Willi Stoll im China-Restaurant Zum Goldenen Drachen, oder zerschossen zwischen Mülleimern im Hinterhof wie Petra Schelm, falls die noch einer kennt. Oder, oder, oder. Das BKA hat sauber gearbeitet und die '68er haben die Lektion begriffen. Aber man muß keine Theorie daraus machen, einfach Angst gehabt haben genügt.

Schade für Dany, berühmt werden konnte man damit nicht, und das ist auch sonst nicht so einfach, wo den Kids von heute bei seinem Namen nur „Dany leicht mit Sahne“ einfällt.

Dr. Seltsam

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