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WAA: Töpfer soll gegen Bayern vorgehen

■ Aufsichtsbeschwerde gegen Bayerisches Umweltministerium bei WAA-Anhörung/Töpfer soll rechtsaufsichtlich gegen Landesbehörde und TÜV Bayern einschreiten/TÜV bestreitet "Goldene Regeln"

Mit einer Aufsichtsbeschwerde gegen das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen reagierte Rechtsanwalt Sailer auf den bisherigen Verlauf des WAA-Erörterungstermins in Neunburg vorm Wald. Adressat der Beschwerde ist Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Im Falle des Vollzugs des Atomgesetzes - so Sailer, der das Land Vorarlberg, den Bund Naturschutz in Bayern und Greenpeace vertritt - erstreckt sich „die Bundesaufsicht insbesondere auf die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Landesbehörden“. Von einer solchen Gesetzmäßigkeit könne jedoch beim WAA-Genehmigungsverfahrens „keine Rede mehr sein“.

Sailer fordert Töpfer auf, „unverzüglich rechtsaufsichtlich einzuschreiten“. Der Bundesumweltminister soll dafür sorgen, daß entweder das atomrechtliche Genehmigungsverfahren für die WAA einer anderen bayerischen Behörde übertragen wird oder daß wenigstens alle Beamten des Umweltministeriums, die bisher direkt oder indirekt am Verfahren mitgewirkt haben, davon entbunden werden. Auch der TÜV Bayern soll als Gutachter aus dem Verfahren ausscheiden, da er „in massiver Form befangen“ sei. Ein entsprechender Antrag ging bereits an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.

Was den TÜV angeht, bezieht sich Sailer auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau vom 17.10.1986. Die Anklagebehörde stellt darin ausdrücklich fest, daß „erhebliche Zweifel an der Objektivität des TÜV Bayern als Gutachter im Rahmen des Paragraphen 20 Atomgesetz“ aufgekommen seien. Sie begründet dies mit einem entstandenen Gesprächsvermerk vom des TÜV zu einem Verhaltenskodex für Gutachter. Neben sog. „Goldenen Regeln“ (siehe taz v. 12.7.) findet sich darin der Ratschlag, bei sog. „nichtrisikobehafteten Fragen“ im Erörterungstermin „eingehend, tiefschürfend und ausführlicher als notwendig“ zu antworten; bei „risikobehafteten“ Fragen seien jedoch „die Tricks des Zeitgewinns durch Rückfragen, Präzisierung der Fragestellung und ausweichendes Antworten“ anzuwenden. Trotzdem hatte Ministerialdirigent Dr.Vogl, zuständig im bayerischen Umweltministerium für Kernenergie und Strahlenschutz, in einem Schreiben vom 29.6.88 an den grünen Landtagsabgeordneten Prof.Armin Weiß erklärt, daß „die Mißverständlichkeiten einiger Formulierungen dieser Unterlage keinen Anlaß geben, die Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit“ des TÜV in Zweifel zu ziehen“. Dr.Vogl schenkte den Aussagen des TÜVs Glauben, wonach es sich hier um eine subjektive und vom Leiter der Stabsstelle mißbilligte Diskussionszusammenfassung gehandelt habe. Warum das Protokoll dann trotzdem im Handakt des Stabsstellenleiters abgelegt war, und ob es einen berichtigten Vermerk gibt, interessierte Vogl dabei nicht. An den aufgeführten Verhaltsregeln „Nicht der Behörde widersprechen“ und „Vorrede der Behörde - soweit irgend möglich - bestätigen“ hatte er ausdrücklich nichts zu beanstanden.

Neben der massiven Werbung des Bayerischen Umweltministeriums für die WAA rügte Sailer den Leiter des WAA-Erörterungstermins Mauker, Ministerialrat im Umweltministerium. Dieser hatte schon im Vorfeld der Erörterung angekündigt, man werde alle Befangenheitsanträge ablehnen. Dem Umweltministerium gehe es - so Sailer - „nur mehr um die rigorose Durchsetzung der WAA“, „auch wenn dabei Gesetz und Recht auf der Strecke bleiben“.

Unterdessen hat Manfred Reik vom Fachbereich Kerntechnik beim Erörterungstermin unter dem Gelächter der ZuhörerInnen eine Ehrenerklärung für den TÜV abgegeben und die Vorwürfe „entschieden“ zurückgewiesen: „Der TÜV Bayern ist neutral“, stellte er fest. Der Verhaltenskodex entspräche „nicht dem Selbstverständnis des TÜV und seiner Mitarbeiter“.

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