„Jeder sieht nur seinen Leuchtturm“

■ Niedersächsische Politiker sind vergrätzt, weil die sozialdemokratischen Regierungschefs aus Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein gegen den Ausbau der Häfen von Emden, Brake und Cuxhaven sind

Gestern meldete sich auch Ernst Albrecht zu Wort: „Alle Versuche, den weiteren Ausbau der niedersächsischen Häfen zu verhindern, sind von vorneherein zum Scheitern verurteilt.“ Vergrätzt zeigen sich derzeit niedersächsische Politiker über die Kritik der drei norddeutschen SPD -Ministerpräsidenten an den Ausbauplänen für drei Häfen zwischen Ems und Elbe. Klaus Wedemeier, Henning Voscherau und Björn Engholm hatten auf einer Konferenz in Bremen Ende letzter Woche den Ausbau der Häfen von Brake und Cuxhaven und des Dollarthafens in Emden als „gesamtwirtschaftlich gesehen nicht vorteilhaft“ bezeichnet. Die Begründung: Milliardenbeträge würden in Anlagen auf der grünen Wiese investiert, „ohne effiziente Anbindung an das Hinterland, ohne erkennbares Ladungspotential und ohne langjährige Erfahrungen in Umschlags- und Managementfragen“. Zudem zögen die unterausgelasteten Anlagen neue Subventionsleistungen nach sich, um Ladung zu kaufen, damit die Investitionen wirtschaftlich werden.

Damit legten sich die drei Sozialdemokraten auch mit ihren niedersächsischen Genossen an. Johann Bruns, SPD -Landesvorsitzender, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Landtagsabgeordneter aus Emden, polterte über den „puren Neid“ auf

den Dollarthafen - diese Kritik zeige eher, daß der Dollarthafen kein totgeborenes Kind sei, sondern als ernsthafte Konkurrenz begriffen werde. „Emden hat von den Hansestädten noch nie viel zu erwarten gehabt, auch wenn das nun Genossen sind“, erklärte Alwin Brinkmann, SPD -Oberbürgermeister von Emden, gegenüber der taz. Und Hans -Heinrich Eilers, Amtskollege aus dem schwarz-gelben Cuxhaven, sekundiert: „Man sieht nur den eigenen Leuchtturm.“

Daß Bremen und Hamburg den kleineren Verladeplätzen keine Tonne Umschlag gönnen, ist angesichts des Wettbewerbs mit Rotterdam oder Antwerpen kein Wunder. Ob eine solche Resolution zustandegekommen wäre, wenn Gerhard Schröder als niedersächsischer Ministerpräsident mit am Tisch gesessen hätte, darf bezweifelt werden.

Der Grund aber, daß die Kritik überhaupt zum Thema wurde, ist ein anderer. Die Talsohle in der Seeschiffahrt ist mittlerweile erreicht - der Welthandel wird wieder zunehmen und den Hafenstädten neue Tonnage bescheren. Wieviel das etwa im Nordseeraum sein könnte, traut sich niemand recht vorauszusagen - die Wirtschaftsbehörde in Hamburg, wo im letzten Jahr 56,7 Millionen Tonnen umgeschlagen wurden, weist jede Prognose als reine Spekulation ab, geht aber von „ten

denziellen Zuwächsen“ aus. Für die bremischen Häfen rechnet der zuständige Ausschuß für Wirtschaftsforschung vorsichtig mit einer Steigerung von jetzt 30 Millionen auf 35 Millionen Tonnen im Jahr 2.000. Die Landesregierung in Hannover hat noch überhaupt keine veröffentlichte Meinung zur Entwicklung des See umschlages - ihr Hafenkonzept wird erst im Herbst bekanntgemacht.

Die Scheiben, die sich das Land Niedersachsen vom Umschlagskuchen abschneiden will, werden allerdings sehr teuer. Die Kosten für den Dollarthafen sind noch überhaupt nicht zu übersehen, werden aber mehrere Milliarden Mark betragen. 100 Millionen sollen sehr bald in Cuxhaven in die seeschifftiefe Elbe gebaut werden - an einen neuen Anlieger mit Roll on/Roll off-Lademöglichkeiten wollen die Ha

fenplaner die Schiffe bekommen, die den Nord-Ostsee-Kanal befahren und einen Umweg nach Hamburg sparen sollen. Kein Wunder, daß der Regierende Bürgermeister Voscherau gegen das Projekt ist, das 1990 in den Bau und 1992 in Betrieb gehen soll. Wurden Anfang der 80er Jahre in Cuxhaven noch keine nennenswerten Stückgut-Mengen umgeschlagen, sind es inzwischen eine halbe Million Tonnen - ein Er

gebnis der Bemühungen, am Wasser zu bleiben, aber vom Fisch wegzukommen. Über das mittelfristig angepeilte Umschlagsvolumen mag Oberstadtdirektor Eilers keine Auskunft geben - nur ein karges „Das Interesse ist beachtlich“ mag er sich abringen.

71 Millionen Mark läßt sich Hannover die Norderweiterung des Hafens von Brake kosten. Liegt Cuxhaven vor der Haustür Hamburgs, liegt Brake auf halber Strecke zwischen Bremen und Bremerhaven. 5 Millionen Tonnen Fracht wurden hier 1986 umgeschlagen; Brake gilt wegen seines Getreide- und Futtermittelumschlags als rentables Sternchen unter den niedersächsischen Häfen. Auf zusätzlichen 270 Metern Kajenlänge soll hier Massenstückgut wie Stahl, Holz und Papier umgeschlagen werden, aber auch Container mit Maschinenteilen und Industrieanlagen.

Beunruhigt durch die Kritik aus Bremen ist in Brake niemand - konnte auch nicht. Denn in der Presseerklärung der drei Sozialdemokraten, die am letzten Wochenende verbreitet wurde, ist unentwegt vom Ausbau des Hafens in Nordenham gegenüber von Bremerhaven die Rede. Eine schlichte Verwechslung, wie der Senatssprecher gestern peinlich berührt einräumte. Keiner hat sie bemerkt, nur in Nordenham hat man sich sehr gewundert.

mc