: JU wieder vor Gericht
■ Prozeß wegen Volksverhetzung bei Reise der Jungen Union vor dem Jugendschöffengericht / Prozeßbeginn erst nach mehr als drei Jahren
Die Prozesse gegen Mitglieder der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union (JU) wegen rechtsradikaler und volksverhetzender Ausschreitungen reißen nicht ab. Nachdem im Oktober schon drei-JU Mitglieder dafür verurteilt worden waren, daß sie auf einer Silvesterfeier das Horst-Wessel-Lied gesungen und „Sieg Heil“ gerufen hatten, stehen seit gestern zwei weitere Mitglieder der JU vor dem Jugendschöffengericht. Dem 29jährigen Jürgen L. und dem 20jährigen Stefan Sch. wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, im Mai 1985 in einer Frankfurter Jugendherberge „Sieg Heil“ gegröhlt, ausländerfeindliche Sprüche gemacht und das Horst-Wessel -Lied gesungen zu haben. In der Jugendherberge hatten seinerzeit rund 50 JU-Mitglieder übernachtet, die zu einer Rede des US-Präsidenten Reagan vor dem Hambacher Schloß fahren wollten.
Eine einleuchtende Erklärung dafür, daß bis zum Prozeßbeginn dreieinhalb Jahre vergangen waren, wurde von der Staatsanwaltschaft bislang nicht geliefert. Daß der Vorfall überhaupt zur Anzeige kam, ist dem 79jährigen SPD -Mitglied Gerd Knaust zu verdanken. Er war im November 1985 durch einen Artikel des 'Tagesspiegel‘ auf den Skandal aufmerksam geworden und hatte den Staatschutz informiert. Doch erst nachdem Knaust noch eine Strafanzeige nachgeschoben hatte, wurde die Behörde tätig. Aber auch dann mußte Knaust noch mindestens 50mal schriftlich nachfragen, bis im März 1988 endlich Anklage erhoben wurde. Die schleppenden Ermittlungen wurden von Staatsanwalt Jantz gestern damit begründet, daß die Kripo durch die Ermittlungen in Sachen Bombenanschlag auf die Diskothek „La Belle“ und er selbst „anderweitig“ ausgebucht gewesen seien.
Nach dem gestrigen Prozeßverlauf ist es jedoch fraglich, ob der Vorfall nach dreieinhalb Jahren noch aufklärbar ist. Der Angeklagte Stefan Sch. bestätigte zwar, daß er in der besagten Nacht „Faschosprüche“ gehört habe, bestritt aber, sich daran beteiligt zu haben. Jürgen L. machte bislang keine Aussage. Auch die Aussagen der gestern gehörten zehn Zeugen ließ keinen Zweifel daran, daß es in Herberge mindestens zweimal zu rechtsextremistischen Ausschreitungen gekommen war. Doch wer es gewesen war, daran wollte sich keiner erinnern können. Der Prozeß wird kommenden Dienstag fortgesetzt.
plu
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