: Strahlendes Fleisch
Erste-Welt-Experten auf der Suche nach der Wunderwaffe gegen den Hunger in der Dritten Welt ■ Aus Genf Gerd Billen
Noch ist die radioaktive Bestrahlung von Lebensmitteln in der Bundesrepublik verboten. Das könnte bald anders werden. Denn sowohl die Weltgesundheitsorganisation WHO als auch die EG-Kommission setzen sich für die Bestrahlung ein. Auf einer Internationalen Konferenz, zu der die WHO, die Welternährungsorganisation FAO und die Internationale Atomenergieorganisation IAEO geladen hatten und die in dieser Woche in Genf tagte, wurde die Lebensmittelbestrahlung als Wunderwaffe gegen den Welthunger gepriesen.
Daß sich mit radioaktiven Strahlen Lebensmittel haltbar machen lassen, hat die US-Marine entdeckt. Bei ihrer Suche nach Nahrung für ihre U-Boot-Besatzungen stieß sie auf diese Technologie. Bestrahltes Fleisch schmeckte zwar wie „nasser Hund“, hielt dafür aber mehrere Monate. Schon geringe Dosen an Gammastrahlung können Schimmelpilze oder Mikroben wirksam abtöten und so den Verderb von Lebensmitteln hinauszögern. Zwar werden die Lebensmittel nicht selbst radioaktiv, aber dem Strahlenbombardement fallen auch Vitamine und Enzyme zum Opfer.
Wirtschaftliche Bedeutung hat das Strahlverfahren bislang nicht. Das könnte jetzt anders werden. Die 300 Regierungs und Verbändevertreter verhandelten auf der Konferenz, um die „Akzeptanz“ der radioaktiven Bestrahlung zu verbessern. Die WHO glaubt, mit Hilfe der Bestrahlung die Lagerverluste bei Reis und Weizen in Ländern der sogenannten Dritten Welt verringern zu können. Sie sieht zudem die Chance, den steilen Anstieg mikrobieller Lebensmittelverseuchung durch Salmonellen zu stoppen. Die mikrobielle Verseuchung ist oft eine Folge der Massentierhaltung und unhygienischer Schlachtmethoden.
Gegen die Pläne der WHO machen Verbraucher- und Umweltgruppen aus vielen Ländern mobil. Die Internationale Organisation der Verbraucherverbände (IOCU) setzt sich für ein weltweites Verbot dieser Technologie ein.
Die Bundesregierung lehnt eine generelle Zulassung der Lebensmittelbestrahlung bisher ab. Doch jetzt hat die EG -Kommission eine Richtlinie zur „Harmonisierung“ vorgelegt, die eine Bestrahlung von Geflügelfleisch, getrocknetem Gemüse, Gewürzen, Meeresfrüchten, Mangos und Froschschenkeln erlauben will.
Gerd Billen ist Vorsitzender der „Verbraucherinitiative“ Bonn
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