: Bremer SPD jetzt mit Chefin
■ Landesparteitag wählte mit 137 von 181 Stimmen Ilse Janz zur Nachfolgerin von Herbert Brückner / Keine Aussprache über Kandidatin / Abschaltung des AKW Stade gefordert
„Die politische Kraft unserer Partei hat sich oft in kungelnden und personellen Querelen erschöpft“, rief die einzige Kandidatin für den Bremer SPD-Vorsitz, die Bremerhavenerin Ilse Janz (43), am Samstag ihrem Landesparteitag zu, „jetzt ist es höchste Zeit, gegen diese Gefahr anzugehen“. Die 181 Delegierten im Bürgerhaus Vegesack nahmen die Aufforderung wörtlich - und vezichteten auf eine Aussprache über die Kandidatin für den Parteivorsitz. Sie wurde direkt nach ihrer Vorstellungsrede mit 137 gegen 28 Stimmen gewählt, 16 GenossInnen enthielten sich.
Damit hat die Bremer SPD jetzt nach Hamburg als zweiter Landesverband eine Frau an ihrer Spitze. Ilse Janz, die bereits kommissarisch den Parteivorsitz führt, seitdem ihn Herbert Brückner im November hingeschmissen hatte, trat schon mit 19 Jahren den Jusos bei. Neben ihrer Mitgliedschaft im Bremerhavener Parteivorstand und in der Stadt
verordnetenvesammlung war sie auch zehn Jahre lang Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. „Feministin bin ich aber nur gelegentlich“, bekannte sie gegenüber der taz, „beim Gerede von mehr Weiblichkeit in der Politik stehen mir die Haare zu Berge.“
Jahrelang arbeitete Ilse Janz als Sachbearbeiterin bei den Bremerhavener Stadtwerken und sorgte dort dafür, daß säumige Kunden ihren (Atom)strom bezahlen. Jetzt gehört der Ausstieg aus der Atomenergie „zu ihren wichtigsten Zielen“, sagt sie. Am Samstag forderte der Parteitag denn auch die sofortige Abschaltung des „altesschwachen“ Reaktors in Stade. Nicht nur in dieser Frage wird sich die neue Parteivorsitzende jetzt mit Bürgermeister und Senat anlegen müssen. Der hat es bislang abgelehnt, zur Konkretisierung dieser Forderung vor Gericht zu gehen.
Für die nach der AfG-Novelle gekürzten ABM-Mittel forderte
Janz einen „zumindest teilweisen“ Ersatz aus dem Bremer Landeshaushalt. Und auch in der Frage einer Ausbildungsplatzabgabe will sie entgegen der Position von Senat und Fraktion nicht nur auf Bonn verweisen.
Eine Ohrfeige vergab der Parteitag an die Polizei für ihr Vorgehen gegen die Anti-DVU-DemonstrantInnen in der Neustadt und forderte, daß in Zukunft „dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strengstens Rechnung“ getragen wird.
Besuch bekam der Parteitag schließlich von 50 streikenden StudentInnen aus der Uni. Vom RednerInnenpult stellten sie ihre Forderungen nach besseren Studienbedingungen, paritätischer Mitbestimmung in den Uni-Gremien, bessere Bafög-Bedingungen und den Erhalt der Uni-Kita. Senator Horst -Werner Franke verwies auf Bundesgesetze, versprach jedoch den „Bestand der Uni-Kindertagesstätte“.
Ase
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