Offerte und Prospekt

■ EG-Kommission will Fusionsablauf regulieren

Berlin (taz) - Aktionäre sind in der Regel die lachenden Dritten, wenn Konzerne versuchen, sich gegenseitig zu schlucken, und auch die EG-Kommission in Brüssel hält „take -overs“ nicht für Geldverschwendung, sondern für ein „positives Element“ für die wirtschaftliche Restrukturierung, die die EG konkurrenzfähig machen soll. Wer aber schützt die Aktionäre vor einem Herunterreden ihrer Aktien oder spekulativen Angeboten, die der Manipulation der Wertpapiere - zumindest in einigen Mitgliedsländern - Tür und Tor öffnen würde?

Folglich hat die Kommission Regulierungsbedarf ausgemacht, nicht nur für die Fusionskontrolle (taz vom 14.1.), sondern auch für den formellen Verlauf der Fusion. Noch in diesem Jahr wird sich das Europäische Parlament mit einem Richtlinien-Entwurf des früheren britischen EG-Kommissars Lord Cockfield beschäftigen. Die beiden wichtigsten Punkte: Solche Offerten sollen in Zukunft wesentlich öffentlicher sein als bisher, und auch die Belegschaftsvertreter werden besser informiert.

Ihnen werden dann die Pläne ebenso detailliert unterbreitet wie den Vorständen und den Aktionären. Die bietende Firma muß darlegen, was sie mit der zu übernehmenden Firma und ihrer Belegschaft vorhat. Anschließend müssen beide Unternehmen das Angebot und die Stellungnahme des Managements in einem Prospekt veröffentlichen, der auch in der überregionalen Presse publiziert wird. Das Angebot an die Aktionäre hat eine Laufzeit von vier bis zehn Wochen haben.

Schon vorher muß das Übernahmeangebot veröffentlicht werden, wenn die Bieterfirma eine Sperrminorität erreicht. Das Management des Übernahme-Kandidaten kann zwar versuchen, den Schluckversuch mit „poison pills“ abzuwehren, etwa der Ausgabe neuer Aktien, aber das darf nur mit Zustimmung der Aktionäre geschehen, also vor dem Erreichen der Sperrminorität durch die hungrige Konkurrenz. Damit das Management eine Firma nicht durch schnelle Verkäufe von Firmenteilen unattraktiv macht, dürfen sich die Vorständler vom Tag der Offerte an nur noch um das Tagesgeschäft kümmern. Umgekehrt muß ein Angebot den gesamten Aktienbesitz umfassen, darf sich also nicht auf einen Anteilseigner oder eine Gruppe beschränken. Wenn der Prospekt mit Offerte, Finanzierungsplan und Stellungnahme der „Opfer“ erschienen ist, kann ein munteres Bieten beginnen: Der Übernahmekandidat kann unverzüglich Konkurrenzangebote organisieren.

Die Vorschriften zur Belegschaftsinformation würden recht gut zum Betriebsverfassungsgesetz passen. Sträuben werden sich vor allem Organisationen in Großbritannien, wo rund 90 Prozent aller Übernahmen innerhalb der EG stattfinden (914 von insgesamt 1.092 take-overs zwischen 1980 und '87). Die Einhaltung der Übernahmebestimmungen in Großbritannien werden derzeit von der Londoner Börse und einem Gremium von Bankern, Wertpapierhändlern und Beamten überwacht. Im Gespräch ist deshalb, auch private Vereinigungen mit Kontrollbefugnissen auszustatten. In einigen anderen Mitgliedsländern fallen die Kompetenzen an Behörden, die bereits existieren - in der BRD an das Bundeskartellamt. In anderen Mitgliedsländern müssen entsprechende Einrichtungen neu aufgebaut werden.

Ganz unklar ist aber noch, was bei take-overs zwischen einem EG-Unternehmen und einer Nicht-EG-Firma passieren soll. Vorschriften dazu enthält das Cockfield-Papier nicht, sondern macht lediglich einen Vorschlag: Konzernen außerhalb der EG sollten die gleichen Möglichkeiten in der EG geboten werden, wie sie in ihren Heimatländern für EG-Firmen gelten.

diba