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Sinn Fein: Mit Waffe und Wahlurne

Trotz des britischen Gesetzes schwört Sinn-Fein auf ihrem Parteitag in Dublin nicht der Gewalt ab / Partei will weiter in Stadträten vertreten sein / Legaler Arm der IRA will seine Basis in der Republik verbreitern  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

„Alle Welt weiß, daß wir in der einen Hand die Wahlurne und in der anderen das Gewehr halten“, sagte Danny Morrison, der Direktor für Öffentlichkeitsarbeit von Sinn Fein. Er sprach auf dem Parteitag, der am Wochenende in Dublin stattfand, zu der Frage, wie sich Sinn Fein zu dem neuen britischen Gesetz verhalten soll, das nordirischen Stadträten und Bezirksverordneten vorschreibt, öffentlich der Gewalt abzuschwören. „Falls ich gewählt werde“, fuhr Morrison fort, „werde ich den Kugelschreiber zwischen meine gefletschten Zähne nehmen und den Schwur unterschreiben.“ Nach Morrisons Rede verabschiedeten die Delegierten einstimmig eine Resolution, daß sich Sinn Fein nicht durch den Schwur davon abhalten lassen darf, „ihre Wähler in den Bezirksversammlungen zu repräsentieren“. Mit dieser Entscheidung sind Probleme für die Londoner Regierung vorprogrammiert. Falls ein gewählter Sinn-Fein-Vertreter zur Unterstützung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) aufruft, müßte er nach dem neuen Gesetz seines Amtes enthoben werden. Dadurch würde eine Nachwahl fällig werden. Dieses Spiel ließe sich endlos fortsetzen und würde die Wahlen in Nordirland endgültig zur Farce machen.

Der 84. Parteitag von Sinn Fein („Wir selbst“) fand traditionell im Dubliner „Mansion House“ statt, obwohl einige Politiker die Stadtverwaltung aufgefordert hatten, Sinn Fein die Räumlichkeiten zu verweigern. Im Mansion House tagte vor 70 Jahren das erste irische Parlament und erklärte Irland zur Republik. Großbritannien antwortete darauf mit einem Krieg, der mit der Teilung Irlands endete. Zwar bekräftigte Sinn Fein am Wochenende ihre Forderung nach einem britischen Abzug aus Nordirland, doch auf dem diesjährigen Parteitag standen soziale und wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt. Damit will die Partei ihre Basis in der Republik Irland verbreitern, wo sie - im Gegensatz zu Nordirland - bei Wahlen bisher schlecht abgeschnitten hat.

Auf dem Parteitag verabschiedeten die Delegierten nahezu einstimmig einen Antrag des Parteivorstands, mit dem formell die Tatsache anerkannt wird, daß Sinn Fein und IRA den Kampf für nationale Selbstbestimmung alleine nicht gewinnen können. Die Partei wird sich in Zukunft um ein breites antiimperialistisches Bündnis bemühen, ohne daß von den Bündnispartnern die bedingungslose Unterstützung des bewaffneten Kampfes gefordert wird, wie das bisher der Fall war.

Im Mittelpunkt des Interesses stand am Samstag die Rede des Sinn-Fein-Vorsitzenden Gerry Adams. In der 90minütigen Rede beschwor Adams die IRA, bei ihren Anschlägen Sorgfalt walten zu lassen. Er erinnerte die IRA an ihre große Verantwortung. Die Moral der Genossen und das Schicksal des Kampfes seien in ihrer Hand. Adams sagte, daß es im vergangenen Jahr eine außergewöhnliche und bedauerliche Zahl an Zivilopfern durch IRA-Aktionen gegeben habe. „Unsere Bestürzung, unser Bedauern und unser Mitgefühl mit den Familien der Opfer ist ehrlich gemeint.“ Während einige Medienvertreter die Äußerungen von Adams als ein Abrücken vom bewaffneten Kampf auslegten, betonte Adams ausdrücklich, daß er nach wie vor „loyal zu den Männern und Frauen der IRA“ stehe. In diesem Zusammenhang bestätigte Sinn-Fein Vizepräsident Martin McGuinness die Auflösung der West-Fermanagh-Brigade der IRA. Dieser Brigade werden zahlreiche Anschläge zur Last gelegt, bei denen Zivilisten getötet wurden. Nach McGuinness wurde sie aufgelöst, weil „das Töten von Zivilisten falsch ist, punktum“. Diese Überzeugung stehe in starkem Gegensatz zum Verhalten der britischen Regierung, die noch nie die Verantwortung für Zivilopfer übernommen habe.

Diese Behauptung wurde gestern durch eine Buchveröffentlichung eines britischen Soldaten bestätigt. Der Autor Peter Morton war 1976 als Fallschirmjäger im Gebiet nahe der südirischen Grenze eingesetzt. In seinem Buch gibt er zu, daß seine Brigade den Tod britischer Soldaten in Nordirland rächen wollte. Innerhalb weniger Wochen fielen ihr ein zwölfjähriges Mädchen, ein Gemüsehändler und sogar ein Polizist außer Dienst zum Opfer. „Was wir wollten, waren tote Terroristen“, sagt Morton.

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