: Gespräch und Gehorsam
■ Bundeswehr will Reservisten anders verwalten / Mehr Gespräche für mehr Wohlbefinden und mehr „Wehrgerechtigkeit“ / In Zahlen bleibt's beim alten
Angenommen, Sie sind männlich und leben im WB II. Wenn ihre ATN paßt, kann es Ihnen glatt passieren, daß sie jedes Jahr dran sind. Dann kriegen Sie den roten Schein und werden mob -beordert - außer, Sie schaffen die UK-Stellung. Dann sind Sie fein raus. Das alles war gestern von Wil
helm Meyer zu lernen. Der hat nicht nur einen flotten Bürstenhaarschnitt und eine geradezu überwältigende Liebe für Hauptworte wie Verteidigungsumfang oder Mob -Beorderungsgespräch, sondern ist auch der Leiter des Bremer Kreiswehrersatzamtes. Und deshalb tat er gestern vor JournalistInnen sein Bestes, um „Die Konzeption Reservisten“ günstig zu verkaufen. Das geht so: Weil bisher die „Wehrgerechtigkeit“ gar keine war, soll die „Verteidigungsbereitschaft“ unserer Bundesrepublik möglichst auf mehr Reservisten-Schultern verteilt werden. Obwohl sonst bei der Bundeswehr, wie Herr Meyer mehrfach betonte, das meiste sehr geheim ist, durfte er, ohne „geheime Verschlußsachen“ auszuplaudern, den brisanten Tatbestand verraten, daß in Bremen „rund 26.000 in Wehrüberwachung stehende Reservisten“ leben, davon 10.000 mit „Beorderung“, 4.000 aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen nicht verfügbar und die restlichen 10.000 „theoretisch einberufbar“ sind. Leider, das stritt auch Herr Meyer nicht ganz ab, „trifft es im
mer dieselben“.
Die „Arbeits-Tätigkeits-Nummer“ (ATN) kennzeichnet die Reservisten nach ihrer Verwendbarkeit: Während es KFZ -Mechaniker und Panzerfahrer mengenweise gibt, sind ausgebildete Kräfte im Sanitäts-, Jäger- und Logistikbereich Mangelware. Die können recht sicher sein, regelmäßig, oft jährlich ihre Reserveübungen ableisten zu müssen, bis zu 12 Tage in 2 Jahren. Das Heer beordert inzwischen ungerechter-, wenn auch legalerweise jeden zweiten Reservisten, die Luftwaffe jeden vierten, die Marine jeden fünften.
Die Reservisten sollen nach dem neuen Konzept „ein Mitsprache-Recht im Beorderungs-Gespräch“ bekommen und sagen dürfen, wo und was sie dienen möchten, wenn sie schon müssen. Nicht, daß sie nicht doch dahin geschickt würden, wo das Kreiswehrersatzamt Bedarf sieht - aber, so Meyer, „ein Gespräch ist ja immer nützlich“. Die Senatskanzlei vertritt gegenüber der Bundeswehr die Gesuche der Reservisten und ihrer ArbeitgeberInnen um „Unabkömmlich- keits-Stellung“ (UK). Klare Regeln gibt es da nicht, nur „Einzelfälle“. Ob ein Student mitten im Semster in der Lüneburger Heide Panzer fahren muß, ob eine EDV-Firma auf ihren Spitzenprogrammierer trotz angespannter Auftragslage verzichten muß - das wird entschieden „in Abwägung des öffentliches Interesses auf Ableistung und des öffentlichen Interesses am Verbleib am Arbeitsplatz“. Für das letzte Argument, wußte Meyer, „muß aber schon die Ertragseinbuße geradezu ruinös sein!“
Was da als nette Geste daherkommt - künftig sollen die Reservisten und damit die Firmen ein Jahr im voraus von der Übung unterrichtet werden - dient dazu, „rechtzeitig Ersatz zu besorgen und auch der Firma sagen zu können: 'Das haben Sie doch seit einem Jahr gewußt!'“ Rotierend immer mal andere Reservisten zu beordern, geht auch nicht: Dann leidet die „Kontinuität der Fortbildung“. Ergebnis: Das neue „Konzept“ ist erstmal viel warme Luft - und das Prinzip der Bundeswehr bleibt Befehl und Gehorsam. S.P
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