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Umweltbewußtsein in Nairobi

Zwei Monate lang lebte die Korrespondentin in Nairobi in einem sträflichen Zustand von Einfalt. Es war jene Ignoranz, die uns als Kinder einer totalen Entsorgungsgesellschaft kennzeichnet. Grace, unsere Hausangestellte, „entsorgte“ den Abfall aus der Wohnung, und ich hatte selbstverständlich angenommen, daß die städtische Müllabfuhr den Hausmüll abholt und sodann beseitigt. Gleichwohl waren auch damals die Müllberge an den Straßenecken in unserer mittelständischen Wohngegend nicht zu übersehen, ebensowenig wie die Rauchsäulen zu überriechen waren, die aus den Gärten und Hinterhöfen hochstiegen. Bis ich eines Tages entdeckte, daß Aggray, der Gärtner unseres Wohnblocks, keineswegs nur Gartenabfälle verbrannte, sondern den gesamten Hausmüll aus den sechs Wohnungen.

Der süßlich-beißende Rauch, der regelmäßig in unsere Wohnung wehte, rührte also mitnichten vom Verbrennen trockener Jasminblüten und tropischer Dufthölzer, sondern vom Einschmelzen der Plastiktüten, die sich zuhauf in jedem Hausmüll befinden, weil über die Märkte der Stadt längst das Plastikzeitalter hereingebrochen ist.

Aufgeregt lief die Korrespondentin zur Nachbarin Mrs. Pirie, einer 75jährigen Dame, die seit den Tagen der britischen Kolonialzeit hier lebt: Ob sie denn wisse, daß... „Aber natürlich, so wird das seit Jahr und Tag gemacht, warum auch nicht?“ Als sie damit herausrückte, daß sie auch leere Batterien in den Hausmüll und das heißt ins Feuer wirft, war die Korrespondentin nicht mehr zu halten.

Aggray wurde zu Alternativen zu den Feuerspielen befragt. Seine Erklärung für das Zündeln war ungemein plausibel. Die Müllabfuhr - zu diesem Zeitpunkt gab es überhaupt nur 15 Müllwagen für die 1,5-Millionen-Stadt, davon einige stets in Reparatur - käme äußerst unregelmäßig. Zwar gäbe es zum Wohnblock gehörende Mülltonnen, aber würde man diese an die Straße stellen und die Müllmänner kämen nicht am selben Tag, dann würden die Mülltonnen mit Sicherheit geklaut. Die Müllmänner würden jedoch nur Abfall aus Behältern mitnehmen und nicht das einschaufeln, was einfach an den Straßenrand gekippt wird. Auch wiederum sehr verständlich.

Aggray wurde in einem populärwissenschaftlichen Exkurs über die giftigen Gefahren aufgekärt, die durch das Verbrennen lauern. Grace sollte von Stund an keine Plastiktüten mehr in den Abfall befördern, sondern in der Vorratskammer sammeln. Die Korrespondentin verwarf den kurzfristig favorisierten Gedanken an einen Komposthaufen, weil in der roten feuchten Erde des Gartens alles schon so unbändig sprießt, daß Aggray nur ungläubig lächeln konnte, ob der Idee, durch Arbeitsaufwand die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern. Keine Schweine, Kaninchen oder ähnliches in Sicht. Wehmütig gedachte die Korrespondentin der mageren Kuh, die in Indien von Kartoffelschalen bis zum Pappkarton alles genüßlich vor der Haustür wegmampfte - nur Metall mochte sie nicht. Mrs. Pirie schlug schließlich vor, große Plastiksäcke anzuschaffen, die die Müllmänner dann mitnehmen würden.

Inzwischen stapeln sich in der Vorratskammer Berge von Plastiktüten. Auf der Fensterbank sammelt sich eine bunte Galerie leerer Batterien. Von einer Lösung des Problems sind wir genauso weit entfernt wie vor einem Jahr. Die Plastiksäcke am Straßenrand werden regelmäßig aufgeschlitzt, der Abfall ausgekippt und durchwühlt. Aggray grinst und schweigt. Die Korrespondentin in der Dritten Welt - ratlos.

Christa Wichterich

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