: Protest gegen West-Spekulanten
■ Ostberliner Kundgebung gegen Besitzansprüche aus der Bundesrepublik auf Häuser und Grundstücke in der DDR
Mehrere hundert Menschen haben am Samstag auf dem Ostberliner Alexanderplatz gegen Wohnungs- und Grundstücksspekulation und Mietwucher protestiert. Anlaß der Kundgebung, zu der die Initiative für einen Mieterbund in der DDR aufgerufen hatte, waren die unüberhörbaren Besitzansprüche von Bürgern aus der Bundesrepublik auf ihre Häuser und Grundstücke in der DDR. „Wird uns unser Land genommen, wenn die dicken Daimler kommen?“ war eine der Fragen auf den Transparenten.
Vertreter des Mieterbundes forderten von der Regierung, noch vor den Wahlen klare rechtliche Garantien für die jetzigen Mieter und Grundstücksnutzer zu schaffen. Um sich gegen die Begehrlichkeiten aus dem Westen wehren zu können, brauche die DDR einen Mieterschutz, der weit über die geltenden Gesetze der Bundesrepublik hinausgehen müsse. Grundstücke und Mietwohnungen sollten innerhalb kürzester Zeit von Staatseigentum in privates, kommunales oder genossenschaftliches Eigentum von DDR-Bürgern überführt werden. Man wolle keine Auseinandersetzung mit den West -Eigentümern, aber ihre Besitzansprüche dürften nicht auf Kosten der Mieter gehen, sonst würden die DDR-BürgerInnen „die letzten Vertriebenen des Zweiten Weltkrieges“. Denkbar wäre eine Entschädigung der ehemaligen West-Besitzer aus staatlichem und privatem Besitz, den DDR-Bürger oder -Unternehmer nach der Teilung in der Bundesrepublik hinterlassen haben, so ein Sprecher des DDR-Mieterbundes.
Am Wochenende wurde bekannt, daß nach einer Zusage des DDR -Justizministeriums ab sofort westdeutsche Notare Einsicht nehmen dürfen in die Grundbücher der DDR, um Eigentumsansprüche ihrer Mandanten aus der Bundesrepublik zu überprüfen. Am Rande der Kundgebung spielte sich eine gespenstische Szene ab, als ein Trupp von rund 60 jungen Rechtsradikalen in Formation quer über den Alexanderplatz marschierte und die Redner mit „Linke raus! Linke raus!„ -Rufen übertönte.
Vera Gaserow
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