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Grünes Gewissen

■ Erstmals trafen sich Umweltschützer beider deutschen Staaten in Berlin zur Konstituierung des „Grünen Tisches“ / Umweltschutz soll in die neue Verfassung aufgenommen werden

Berlin (taz) - Umweltschützer aus Ost und West trafen sich am Mittwoch zum ersten Mal in großer Runde, um den deutsch -deutschen Grünen Tisch aus der Taufe zu heben. 22 Vertreter aus Naturschutzverbänden, Wissenschaft, Wirtschaft sowie Ministerien aus der DDR und der BRD hatten sich um das neue politische Mobilar plaziert. Matthias Platzek von der Grünen Partei der DDR legte erste gemeinsame Beschlüsse vor. Zunächst forderten sie für die Wiedervereinigung eine neue Verfassung, in der das Recht auf Umweltschutz verankert sein müsse. Bei allen umweltrelevanten Entscheidungen wollen sie mitreden. Dazu bedarf es eines ungehinderten Zugangs an Informationen und Daten. „Bis zur Vereiningung wollen wir das grüne Gewissen sein, daß sich kräftig in die Politik einmischt“, erklärte Reinhard Sander, Vizepräsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR).

Der Atomenergie erteilt der Grüne Tisch eine klare Absage. „Nicht der harte Weg eines Ausbaus der Atomenergie, sondern nur eine drastische Minderung des Primärenergieverbrauchs kann dazu beitragen, eine Klimakatastrophe durch die notwendige Verringerung der CO2-Emission zu verhindern“, zitierte Sander aus dem ersten gemeinsamen Papier. Dabei ist für ihn die Sicherheit der Arbeitsplätze entscheidend. Der Umweltschutz werde immer als Arbeitsplatzkiller abgestempelt. Es gebe aber genug Nachweise, daß er Arbeitsplätze schaffe. Deshalb verlangt der Grüne Tisch, „Mittel und Arbeitsplätze auf neue Energieversorgungsstrategien umzuverteilen“. So könne der vom Grünen Tisch angestrebte Ausbau des Schienennetzes im Nah- und Fernverkehr und dessen Vollelektrifizierung Arbeitskräfte binden. Das bleifreie Tankstellennetz soll in der DDR ausgebaut werden.

Weiterhin wird empfohlen, eine gesamtdeutsche Straßenverkehrsordnung mit Tempo 100 und Sonntagsfahrverbot für Schwerlastverkehr auszurichten. Als völlig unzureichend kritisierte der Geschäftsführer des DNR, Helmut Röscheisen, die Strukturen und Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes. Der Grüne Tisch schlägt deshalb vor, Sofortmaßnahmen für ein Nationalpark-Programm zu ergreifen. Darüberhinaus strebt er eine umweltverträgliche Landnutzung für beide Staaten an. Matthias Platzek demonstrierte Selbstbewußtsein: Auch die DDR habe in die Umweltdebatte vieles einzubringen. Er dachte dabei unter anderem an das Recyclingsystem für Pfandflaschen. Mit 90 Prozent Rücklauf sei es eindeutig umweltfreundlicher als die bundesdeutschen Flaschenorgien.

Die Naturanwälte beschworen in ihrem letzten Beschluß die Besucher aus dem Westen: Haltet Euch mit Besuchen in diesem Jahr zurück und überfordert nicht die Natur der DDR.

Bärbel Petersen

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