: Streß für Moderatoren
■ „Donnerstag-Gespräch“ (DDR 1) und „Die DDR vor der Wahl“ (ARD) am vergangenen Donnerstag / Über die Schwierigkeiten mit live-Shows
Ein Gespenst geht um im Wahlkampf, ein ganzes Rudel von Gespenstern. Unbeweisbare Behauptungen, Negativpropaganda, Demagogie...
Wer sich Donnerstag über die aktuelle Wahlkampfsituation informieren wollte, mußte sich zwischen DDR 1 und ARD entscheiden. Von der Anlage her ähnlich (Einbeziehung von Zuschauerfragen, breites Spektrum der politischen Parteien und Bewegungen), waren beide Sendungen letztlich doch recht unterschiedlich.
Wählt der Moderator vorher Zuschauerfragen aus (wie Dr. Lutz Renner zum „Donnerstag-Gespräch“), wird er natürlich zum Zensor. Und die Donnerstagrunde hat da ihre Negativvergangenheit (erinnert sei an die erste Sendung!). Aber diese Art „Zensur“ ermöglicht Beschränkung aufs Wesentliche.
Hingegen saßen bei Ernst Elitz und Reinhard Kleinmann („Die DDR vor der Wahl“, ARD) die Zuschauer live in der Sendung. Ihre Fragen waren ursprünglicher, aber eben auch mit viel Selbstdarstellung, Unsachlichkeit und Emotionen verbunden. Nun sind die ja nichts schlechtes für eine Live-Diskussion, aber schnell zu mißbrauchen für Demagogie. Gefühlsausbrüche sind noch keine Beweisführung (Norbert Koch, DSU: „Wer soll denn diese Wirtschaft hier noch finanzieren?!“)
Der regelmäßige Einschub von kurzen Filmbeiträgen über die Situation im Bezirk Dresden rettete zwar die Diskussion oft vorm totalen Ausufern, brach aber zugleich die lebendige live-Atmosphäre. Der Höhepunkt der Steifheit war das unauffällig abgelesene - Resümee von Reinhard Kleinmann. Da fragt man sich: Wenn vorher schon klar ist, was hinten rauskommt, wozu redet man dann die ganze Zeit?
Nicht nur wegen ihrer hochkarätigen Besetzung war die Donnerstagrunde im DDR-Fernsehen da einfach besser. Renner machte sich als Moderator zum Fragen- und Interessensprecher der Zuschauer, brach die Diskussion auch mal rabiat ab, wenn alle durcheinander redeten. Denn es ist ja nicht jedermanns Sache, sich lautstark durchzusetzen (in einer solchen live -Sendung aber vonnöten). Dr. Bruno Menzel (FDP) als beinahe klassisch seriös wirkender Politiker wäre ohne Renners Hilfe nie zu Wort gekommen.
Das Bonmot des Abends kam von Dr. Ina Merkel (UFV) auf die Frage zum Thema Wahlkampfredner aus der Bundesrepublik: „Bei Gysi wählt man Gorbatschow mit?!“ Die Blumen gab man ihr allerdings zum Frauentag.
Als der Ton überm Abspann schon abgedreht war, rückten die eben noch in sich verbissenen Kampfhähne näher am Tisch zusammen, um scheinbar noch einen freundschaftlichen Plausch zu machen. Warum nicht gleich so?
Martin Miersch
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