: Aufstand im Bantustan
■ Gewalttätige Auseinandersetzungen in Südafrika / Pretoria steht vor Scherbenhaufen seiner Bantustanisierungs-Politik
Johannesburg (adn/taz) - Ruhig war es nie in den „Homelands“ oder „Bantustans“ genannten zehn Reservaten Südafrikas, in denen mit rund 13,8 Millionen Menschen etwas mehr als die Hälfte der schwarzen Bevölkerung lebt. Seit über einer Woche jedoch halten in vier dieser Gebiete, aber auch in anderen Teilen des Landes, in bisher kaum gekanntem Ausmaß gewalttäge Auseinandersetzungen, Protestaktionen und Streiks an. Die Hauptforderung, die von der Mehrheit der Reservatsbewohner erhoben wird, ist die nach Wiedereingliederung in das südafrikanische Staatsgebiet.
In Bophutatswana, das - neben Venda, Transkei und Ciskei als „unabhängiger Staat“ gilt, der allerdings von keiner Regierung in der Welt außer der südafrikanischen anerkannt ist, hatte sich der Volkszorn an einer Äußerung von „Präsident“ Mangope entzündet. Der hatte öffentlich erklärt, Bophutatswana werde auch noch für die „nächsten 100 Jahre unabhängig bleiben“. Die folgenden Massenproteste wurden von der Polizei des mit unbarmherziger Gewalt beantwortet. Allein in vier Tagen fanden mehr als 40 Menschen den Tod. Der Ausnahmezustand wurde verhängt. Inzwischen hat der Unmut auch auf Teile des Militärs übergegriffen. In Dutzenden Fällen zogen Soldaten ihre Uniformen aus, verbrannten sie und schlossen sich den Demonstranten an.
In der Ciskei liegen die Dinge anders. Vor einer Woche entmachtete die Armee den bis ins Mark korrupten und für seinen Hang zum Luxus bekannten „Präsidenten auf Lebenszeit“, Lennox Sebe. Der Sturz des Diktators wurde von Zehntausenden Menschen mit Jubel begrüßt. Doch schnell schlug die Atmosphäre der Freudenkundgebungen in eine Orgie der Gewalt um. Kriminelle Elemente und möglicherweise auch eingeschleuste Provokateure nutzten die Gelegenheit, massenhaft zu plündern und zu brandschatzen. Zahlreiche Betriebe, Geschäfte und öffentliche Einrichtungen gingen in Flammen auf. Schätzungsweise 18.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Das zahlenmäßig kleine Kontingent südafrikanischer Soldaten griff bisher nicht direkt ein, sondern beschränkte sich auf den Schutz von Gebäuden.
Der neue Machthaber in Ciskei, Brigadegeneral Gqoza, ist eine schillernde Figur, die manches Rätsel aufgibt. Dem 37jährigen war es während seines Dienstes in der südafrikanischen Armee als erstem Schwarzen gelungen, einen Offiziersrang einzunehmen. Seine erste Pressekonferenz gab er in einem Raum, dessen Wände mit den Fahnen des ANC und der Südafrikanischen Kommunistischen Partei geschmückt waren. Und was er zu sagen hatte, ließ aufhorchen: Erklärtes Ziel seiner Politik sei es, Ciskei wieder in Südafrika einzugliedern. Angesehene Wissenschaftler des Landes, so John Aitchinson von der Universität Natal, sehen die Ursachen für die Unruhen in den „Homelands“ in einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit, damit einhergehenden schlechten Lebensbedingungen und in den illegitimen politischen Strukturen.
Die Regierung in Pretoria jedoch beschuldigte den ANC, dort Gewalt zu schüren, um eine Destabilisierung des Landes herbeizuführen und die anvisierten Verhandlungen zwischen beiden Seiten zu hintertreiben. Der frühere ANC -Generalsekretär Walter Sisulu wies diese Vorwürfe als unbegründet zurück. Zugleich verurteilte er sinnlose Gewalt und appellierte an die schwarze Bevölkerung, den Kampf gegen die Apartheid mit größter Disziplin zu führen.
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