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Neuer Preis für West-Illustrierte 1 : 1 Die Bunte Republik holt uns heim

■ Aus dem Verdrängungswettbewerb scheint ein Vernichtungsfeldzug zu werden / 'FF Dabei‘ ist in Gefahr, Ladenhüter zu werden / Devise Rette sich, wer kann / Kaum Alternativen, es sei denn, man würde alternativ

Nun ist sie also endgültig über uns gekommen, die Bunte Republik Deutschland. Zumindest auf dem Papier. Während der Kanzler noch seinen Wahlsieg verdaut und Tag um Tag die von ihm beschworene Einheit um immer noch ein Jahr verschiebt, machen die Medien-Riesen ernst. Der Umweg, wie ihn noch 'Gong‘ und 'Burda‘ mit ihrem in der DDR verlegten Fernsehheftchen 'Super TV‘ gegangen waren, ist out. Was dem deutschen Leser West recht ist, kann dem deutschen Leser Ost doch nur billig sein. Zum Kurs 1:1, versteht sich.

Das Wählervotum für die schnelle D-Mark(t)wirtschaft gab wohl den letzten Ausschlag, die Bunten zu erschwinglichen Preisen auf den lechzenden Markt zu werfen. Zufällig genau eine Woche, bevor die DDR-Blätter mit den Preisen raufgehen müssen, weil ab Akpril ihre Subventionen gestrichen sind. Aus dem Verdrängungswettbewerb scheint ein Vernichtungsfeldzug zu werden, dem wohl nur wenige der DDR -Zeitungen und -Zeitschriften widerstehen können.

Mit dem ohnehin halblegalen 1:3-Verkauf der letzten Wochen hatten die Medienkonzerne einen Testballon steigen lassen, den rechtsfreien Raum ausnutzend, den der handlungsunfähige Staat bot. Nachdem der Test über Erwarten gut lief, was den 'Stern‘, 'BILD‘ und 'Brigitte‘ verkaufenden Ladenbesitzern bei bis zu 20 Prozent Vertriebseinnahmen zu einer goldenen Nase verhalf, gehen Bauer, Springer und Co. vollens in die Offensive.

Widerstand ist kaum zu befürchten. Ob sich eine Allianz -geführte Regierung im Nachhinein mit den geschaffenen Tatsachen auseinandersetzt, ist mehr als fraglich. Dem Medienkontrollrat bleibt wieder nur ein ratloses Schulterzucken. Angetreten, die eigenständigkeit und Chancengleichheit der DDR-Medien zu wahren, wird er Mal um Mal von den konzertierten Aktionen der Konzerne überrollt.

Die gerade errungene Pressefreiheit eigenständiger DDR -Zeitungen ist wohl bald zu Grabe getragen. Am ehesten haben neben den Neugründungen noch jene vormaligen Bezirkszeitungen der SED eine Chance, die bereits am Jahresanfang gnädig ins Volkseigentum entlassen worden waren und konsequent auf Regionalisierung setzen.

Bestes Beispiel: die 'Thüringer Allgemeine‘, die als 'Das Volk‘ zur Creme der Bezirksorgane gezählt wurde. Mit Unterstützung vom Main geht man in Erfurt den Weg zu regionalen Kopfblättern, kooperiert am Ort auch mit den jeweiligen Westkonkurrenten und hat mit der bevorstehenden Herausgabe eines Supplements den Zug der Zeit erkannt.

Ohne West-Hilfe geht freilich nix. Deren erste Konsequenzen bekamen Redakteure des früher direkt dem ZK unterstellten Dresdner Verlages 'Zeit im Bild‘ zu spüren. Wo vor der Wende die edle Selbstdarstellung fürs Ausland fabriziert wurde, grassiert Ungewißheit. Einstweilen verkaufen die Journalisten auf den Straßen von Elbflorenz die 'Hamburger Morgenpost‘. Das Interesse der Redakteure an möglichst reißendem Absatz ist groß.

Wenn das läuft, erwägt Gruner +Jahr, die 'Morgenpost‘ mit einem ausführlichen Dresden-Teil aufzuwerten und so das kränkelnde Organ gegen die übermächtige Springer-Konkurrenz in der Hansestadt aus den roten Zahlen zu bringen. Andererseits verspricht's ein paar Arbeitsplätze für die Redakteure der Partnerstadt. Eigentlich liebäugelt die Bertelsmann-Tochter ja mit dem gesamten Komplex an der Marienbrücke. Denn im Haus der Presse wird auf gehobenem technischen Niveau produziert.

Wo high tech fehlt, steht den Zeitungsmachern in der DDR das Wasser mittlerweile bis zur Unterlippe. Am schwersten betroffen vom Einbruch der billigen Bunten aus dem Westen sind wohl die Illustrierten. Was früher unterm Kiosktisch gehandelt wurde, stapelt sich jetzt in den hinteren Ecken. Alfred Wagner, Chefredakteur der 'FF Dabei‘, gibt seinem von der Konkurrenz von 'Super TV‘ bis 'Hör Zu‘ gebeutelten Blatt noch vier Wochen.

Genau wie die anderen hatten seit der Wende auch die MacherInnen der 'Für Dich‘ erhebliche redaktionelle Mühen investiert, um die Konkurrenzsituation mit neuem Layout und veränderten Inhalten bestehen zu können. Doch die Uralt -Maschinen in der Berliner Druckerei lassen nur zwölf Farbseiten pro Ausgabe zu und brauchen eine ganze Woche, um die knappe Million Exemplare zu drucken. Ein Handicap beim Wettlauf um die Lesergunst. Ganz abgesehen von der Hypothek der Honecker-Ära und dem Run der DDR-Leser auf das bunte Angebot.

Angesichts der mehr als zögerlichen Verhandlungen des Eigentümers PDS mit eventuellen Joint-venture-Partnern bleibt den Illustrierten nur noch die Devise: Rette sich, wer kann. Die Arme der Konzerne sind denn auch weit offen, um die angeschlagenen Titel zu übernehmen. Alternativen bieten sich kaum, es sei denn, man würde alternativ. Doch das rechnet sich nicht bei den bisherigen Auflagenhöhen. So bleibt nur eine weitere Ernüchterung nach dem herbstlichen Selbstbestimmungstaumel. Die Bunte Republik holt uns heim, jeden Tag ein Stückchen mehr.

Heinrich Thee

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