: Staatssekretär dient U-Boot-Dealern
■ Der parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Dr. Voss, sollte das illegale Waffengeschäft an Bundesbehörden vorbeischleusen / Politisch Verantwortlicher: Minister Stoltenberg / HDW wollte U-Boot-Hardware über die Türkei liefern
Hamburg/Kiel/Bonn (dpa/taz) - Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit der U-Boot-Affäre mit Südafrika gegen sieben Manager der beiden deutschen Lieferfirmen wegen Verletzung des Außenwirtschaftsgesetzes sowie wegen Geheimnisverrats. Bei den Durchsuchungen Anfang des Jahres wurden bei führenden Mitarbeitern der Kieler Howaldtswerke/Deutsche Werft AG (HDW) und dem Ingenieurskontor Lübeck (IKL) Vermerke gefunden, die detailliert nachweisen, daß das illegale U-Boot-Geschäft trotz gegenteiliger Behauptungen ab Herbst 1985 fortgesetzt wurde. Der Fernsehsendung „Panorama“ lagen als „geheim“ deklarierten Unterlagen der Strafverfoler vor. Ihnen zufolge wurde drei Monate nach dem offiziellen Abbruch der Kontakte mit Südafrika auf einer Konferenz in Travemünde und Lübeck eine mündliche Vereinbarung für die „weitere Bearbeitung des Projekts“ getroffen. Sie sei später schriftlich fixiert worden. Nach einem weiteren Treffen mit den südafrikanischen Auftraggebern im Juni 1986 sei laut einem weiteren Gesprächsvermerk ein genauer Zeitplan vereinbart worden. Danach sollte Ende 1988 mit der Produktion der U-Boote und mit der Teillieferung begonnen werden.
Nach Angaben des Magazins finden sich in den beschlagnahmten Vermerken auch Hinweise auf enge Kontakte zwischen den Firmen und der damals gegen sie ermittelnden Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel sowie dem Bundesfinanzministerium. So habe OFD-Präsident Svend Olav Hansen den damaligen HDW-Vorstandsvorsitzenden Klaus Ahlers vorab von einer Prüfung durch seine Behörde informiert.
Der parlamentarische Staatssekretär Dr. Voss (CSU) war unter der politischen Verantwortung des damaligen Bundesfinanzministers Stoltenberg (CDU) offenbar behilflich, daß das illegale U-Boot-Geschäft mit Südafrika ungehindert weitergeführt werden konnte. Der Staatssekretär Voss - ein langjähriger Freund des verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Strauß - sollte nach der taz bekanntgewordenen Informationen für die Nichteinschaltung des für eine Überwachung und Genehmigung von Exportgeschäften zuständigen Bundesamts für Wirtschaft (BAW) in Eschborn sorgen. In einem vom 10.Juni 1986 datierten Brief des Vorstandsmitglieds der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW), Hansen-Wester, an die südafrikanischen Geschäftspartner Liebenberg & Stander Maritime wird garantiert, der Kontakt zu Dr. Voss werde sicherstellen, „that the export is kept under control; e.g. (zum Beispiel, d. Red.) that Eschborn will not get involved“. Auf gut deutsch: Das BAW soll rausgehalten werden.
Die Einflußnahme des Staatssekretärs erfolgte, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast einem Jahr ein Ermittlungsverfahren gegen die Unternehmen wegen Verstoßes gegen das für die Bundesrepublik völkerrechtlich bindende UN -Waffenembargo und des bundesdeutschen Außenwirtschaftsgesetzes lief. Es belegt auch, daß das Geschäft entgegen den Versicherungen der Firmen bis heute ohne Einschränkung weitergeführt wurde. Warum das BAW umgangen werden mußte, obwohl die Lieferung der U-Boot -Blaupausen an Südafrika bereits abgeschlossen war, hatte einen brisanten Grund: HDW hatte seit Mitte 1985 mit der türkischen Staatswerft vereinbart, die Lieferung kompletter U-Boot-Sektionen über den Umweg des Nato-Partners Türkei durchzuführen. Die U-Boote sind seit 1988 in Südafrika im Bau, hat die Staatsanwaltschaft jetzt festgestellt.
Nach den neuen Enthüllungen sind drei Staatssekretäre, Voss, Tietmeyer und Obert, des jetzigen Verteidigungsministers Stoltenberg mit der U-Boot-Affäre befaßt gewesen. Immer haltloser wird damit Stoltenbergs Behauptung, er habe nie von den zahlreichen Hinweisen aus seinem Haus auf eine Weiterführung des Geschäfts erfahren und auch keinen Einfluß auf die Einstellung des Verfahrens genommen. Als Verhandlungspartner von Staatssekretär Dr. Voss fungierte nach dem HDW-Schreiben dessen Parteifreund, der ehemalige CSU-Abgeordnete, Strauß-Spezi und Rüstungslobbyist Zoglmann. Nach den vorliegenden Verträgen sollte Zoglmann bei dem Geschäft fünf Prozent des Vertragswerts als Provision erhalten. Das wären bei der vertraglich festgelegten Auftragssumme von 475 Millionen Mark für die „mittlere Lösung“ - Lieferung von Blaupausen und Komponenten - 23,5 Mio. Mark. HDW behauptet, Zoglmann habe keinen Pfennig erhalten, weil das Geschäft mit Südafrika aufgegeben wurde. Zu einem anderen Ergebnis kam die derzeit ermittelnde Staatsanwaltschaft Kiel: Sie leitete jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen Zoglmann ein.
Wie der kriminelle Waffenhandel fortgesetzt wurde..
Die mit Dr. Voss vereinbarte Unterstützung des von Stoltenberg geführten Ministeriums für den Waffenexport läßt sich belegen. Mehrfach wird der Oberfinanzdirektion Kiel, von Stoltenberg mit den Ermittlungen beauftragt, von dem ihr übergeordneten Bundesfinanzministerium untersagt, von sich aus das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn über ihre Erkenntnisse über den U-Boot-Export zu informieren. Der ob des klaren Verstoßes gegen die Vorschriften verunsicherte Oberfinanzpräsident Hansen wird vom Ministerium zurechtgestutzt. „Von einer Übersendung der Stellungnahme an das BAW habe ich aufgrund ihrer fernmündlichen Weisung vom heutigen Tage abgesehen“, versichert Hansen daraufhin am 29. Januar 1987 schriftlich dem zuständigen Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. Nach Anweisung aus dem Hause Stoltenberg wird dem Bundesamt in Eschborn Ende 1986 dann nur das Prüfungsergebnis gegen das für HDW tätige Konstruktionsbüro IKL zugeleitet. Zumindest formal wurde zu diesem Zeitpunkt auch gegen HDW ermittelt - mit dem angestrebten Ziel, dem Unternehmen mit einem Freispruch einen offiziellen Persilschein auszustellen.
Wie der kriminelle Waffenhandel fortgesetzt wurde, belegt ein von der Staatsanwaltschaft Kiel aufgefundener Vermerk des HDW-Vorstands.
Danach traf sich der HDW-Vorstand am 24. Juni 1985 in Hamburg mit dem türkischen „Berater“ Enis Tokcan und vereinbarte, daß die Hardware-Komponenten für den U-Boot-Bau über die türkische Werft Gölcük nach Südafrika geschleust werden sollten. In das Geschäft miteinbezogen wurden auch die Seestreitkräfte des Nato-Partners Türkei.
Das gesamte Liefervolumen wurde auf rund 300 Millionen Mark beziffert, geht aus den Unterlagen der HDW-Führung hervor. Der Entgelt für Tokcan und die Gölük-Werft war fürstlich: Tokcan sollte fünf Prozent der Auftragssumme als „Provision“ erhalten, die Werft zehn Prozent einstreichen. Auch die HDW -Werft sicherte sich ihren Gewinn: Für sie sollten bei der mit den Südafrikanern vereinbarten zweiten Stufe des Geschäfts weitere 15 Millionen Mark als Gewinn verbleiben.
Gerd Nowakowski
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