Ermittlungen gegen Honecker & Co.

■ Die Einstellungen der Ermittlungsverfahren sind bei schwerer Krankheit möglich

Berlin (adn/dpa) - Die Ermittlungen gegen den ehemaligen SED -Generalsekretär und DDR-Staatsratsvorsitzenden Honecker sowie die damaligen Politbüromitglieder Mielke und Mittag würden entgegen einiger Presseberichte weitergehen. So bestehe bei Honecker und Mittag der Verdacht auf Vertrauensmißbrauch im schweren Fall, Amtsanmaßung, Diebstahl, Anstiftung zur Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung. Das erklärte der stellvertretende DDR -Generalstaatsanwalt Lothar Reuter am Dienstag.

Auch die Verfahren gegen den ehemaligen FDGB-Chef Tisch und Ex-CDU-Vorsitzenden Götting könnten in der kommenden Woche an das Oberste Gericht zurückgegeben werden, das die Akten vor einigen Wochen wegen Unvollständigkeit zurückgewiesen hatte. Darüber hinaus gebe es weiter Ermittlungen gegen die ehemaligen SED-Politbüromitglieder Stoph, Sindermann, Axen, Krolikowski und Kleiber wegen Vertrauensmißbrauch und Untreue, wobei bei den einzelnen unterschiedliche Aspekte im Raum stünden. Der Stand der Ermittlungen sei dabei unterschiedlich. Einige Verfahren lägen zur Entscheidung vor, wie das gegen Kleiber. Hier werde über die Erhebung der Anklage in Kürze der Generalstaatsanwalt entscheiden.

Insgesamt sei es nach wie vor Ziel der Generalstaatsanwaltschaft, Anklage gegen alle genannten Personen zu erheben. Sie könnte „nur dann nicht in Betracht kommen, wenn diese Herren schwer erkrankt sind“, sagt Reuter. In jedem Land der Welt sei es üblich, in solchen Fällen Ermittlungsverfahren vorläufig einzustellen, wie er ausdrücklich betonte. Endgültige Einstellungen wären nur möglich, wenn eine unheilbare Krankheit vorliegt. Dies könnte bei Honecker der Fall sein. Nach einem Bericht der 'Bild'-Zeitung seien er und Frau Margot am Dienstag nachmittag in ein sowjetisches Militärhospital gebracht worden. Nach diesen Angaben wurde das Ehepaar von einem sowjetischen Militärkonvoi aus dem Pfarrhaus in Lobetal nördlich Berlins in das Sanatorium der Sowjets in Beelitz gebracht. Der Umzug, so berichtet 'Bild‘, sei auf Honeckers persönliche Bitte erfolgt. Sein Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert.

Alle Verfahren seien schwierig zu führen, sagte der Gerneralstaatsanwalt, da die genannten Personen ihre Mitarbeit weitgehend verweigern. Ausnahmen seien Kleiber und Krolikowski. Bei Mielke könnte jede Vernehmung - einem entsprechenden ärztlichen Gutachten zufolge - eine lebensbedrohlichen Zustand hervorrufen. Er sei verwirrt. Deshalb könne man ihn mit seinen zum Teil auch veröffentlichten Befehlen nicht konfrontieren, um von ihm entsprechende Aussagen zu erhalten. Es gebe genügend Hinweise aufgrund ärztlicher Gutachten und Berichte, daß Honecker, Mittag, Mielke, Stoph, Sindermann, Axen und derzeit auch Krolikowski kranke Menschen sind. Insgesamt sei bei den meisten ein starker Persönlichkeitsverfall zu beobachten, physisch und psychisch. Dies könne man der Öffentlichkeit auch durch entsprechende Dokumentationen belegen. Diese Tatsache habe dazu geführt, daß ein ärztliches unabhängiges Gutachterteam gebeten wurde sich zur Vernehmungs-, zur Haft- und Verhandlungsfähigkeit zu äußern. Erst nach diesen vorliegenden Gutachten werde eine Entscheidung in Erwägung gezogen, die Verfahren zeitweilig einzustellen, was hieße, daß es jedoch jederzeit fortgesetzt werden könnte. Die Justiz bewege sich bei allen diesen Fragen bekanntlich immer in einem Spannungsfeld zwischen staatlichem Strafanspruch und Humanität. Da dürften Emotionen nicht bestimmend werden, bei allem Verständnis für viele Äußerungen im Lande.

Ein weiterer Punkt betreffe die Wiedergutmachung oder Schadenersatzansprüche. Die Regierung habe das Ministerium der Finanzen in Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft beauftragt, festzustellen, welche Ansprüche der Staatshaushalt geltend macht. Reuter teilte mit, daß die Sparkonten des betroffenen Personenkreises bereits seit Dezember/Januar beschlagnahmt wurden, so daß sie über ihr Vermögen nicht verfügen können. Dies betreffe auch andere Gegenstände, von denen angenommen wird, daß sie unrechtmäßig erworben wurden. Dies festzustellen wäre jedoch ein komplizierter Prozeß, weil die Haltung der einzelnen dazu sehr unterschiedlich sei. Reuter erwähnte, daß Honecker gegenüber seinen Rechtsanwälten eine Verzichtserklärung über die in der Presse erwähnten sechs PKW abgegeben hat. Diese Fahrzeuge seien dem Ministerrat zur Verfügung gestellt worden.

Wie inzwischen bekannt wurde, werden die Honeckers im sowjetischen MIlitärhospital in Beelitz (Bezirk Potsdam) streng abgeschirmt. Dies berichtete der Kommandant des Hospitals am Mittwoch morgen dpa. Westdeutschen Journalisten werde der Zutritt verwehrt. Über den Gesundheitszustand Honeckers macht der Kommandant keine Angaben . Im Militärhospital soll der gesundheitlich schwer angeschlagene Honecker medizinisch behandelt werden. Die Aufnahme ist in Absprache mit der DDR-Regierung, den Kirchen und den Anwälten des ehemaligen SED-Chefs erfolgt.