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Kaufen wie im alten Rom

■ Bremer Markthalle eröffnet / Reiches Angebot an frischen Waren und vollwertigen Ernährungspausen

Wollen Sie sich endlich einmal fernöstlich in Ihren Kochtöpfen austoben? Oder stehen Sie auf Edel-Süßem? Wollen Sie Vollkorn-Brot oder Frischfleisch, Gemüse, Gewürze, Heilkräuter oder Wein? Und zwischendurch gemütlich ein Sektchen zu roten

Schalentieren schlabbern oder herzhafte Bratkartoffeln mit Hähnchenkeule essen. Alles unter einem Dach einkaufen und mit gehobener Gastronomie kulinarische Pausen einlegen: Bremens neue Markthalle im Grünenweg macht's seit gestern möglich.

Da steht der türkische Kebap-Händler in seiner weißen Schürze neben dem Champagner-Stand, ein Gläschen für 12 Mark, weil doch Eröffnung ist, der Weinstand neben der Eisbude und der Teeladen neben dem Öko-Bäcker, die Honig -Händlerin neben dem asiatischen neben dem griechischen Lebensmittelstand und überall tobt das Eröffnungsleben und wird probiert, gelacht, geraucht und fachgesimpelt.

Bausenator Kunick ließ es sich nicht nehmen, goldene Worte zur Eröffnung in die Halle zu werfen: „Wer kein freundliches Gesicht hat, darf keinen Laden aufmachen“, und viel Glück wollte er den mutigen Unternehmern wünschen, die einen Stand gepachtet haben, und viel Spaß denen, die zum Einkaufen kommen, und etwas erleben wollten.

40 Millionen haben die drei Investoren Korn, Korn und Arend in den letzten achtzehn Monaten in das alte Zentralbad gesteckt. 3.000 Quadratmeter Bruttofläche stehen für die Stände im ersten Stockwerk zur Verfügung, davon ist die Hälfte Verkehrsfläche für flanierendes und schlemmendes Publikum. Weitere 3.000 Quadratmeter für die Gastronomie im Untergeschoß mit Vollwertrestaurant und Irish-Pub. Dort werden gerade noch die letzten Bilder einer Zwergengeschichte aufgehängt. „Sind das irische Zwerge?“ „Sorry, I'm not German.“ - „Are these Irish dwarves?“ „Sorry, I'm not Irish.“

Mit Blasmusik und Sambagruppe unterhielten die Betreiber das Eröffnungspublikum. Im Marktcafe gab es Kaffee und Kuchen zum Null-Tarif, und das nimmt man ja gerne mit, schließlich öffnet nicht alle Tage so eine herrliche Markthalle. Und gleich beim Eingang standen diese netten Menschen und verschenkten Kulis und Notizblöcke und da merkt man doch, daß man etwas im Auto vergessen hat und dreht noch einmal um, doch halt, das braucht man eigentlich gar nicht und dreht wieder um, und da sind wieder die netten Menschen, die einem Blöcke und Kulis zustecken, und man hat kaum Zeit, zu protestieren.

Die MarkthallenmitarbeiterInnen haben diese dunkelgrünen Overalls an, und da stürzt man sich dann drauf und fragt sie gleich, wo denn der Gutschein, der 1988 zur Grundsteinlegung in der Zeitung war, eingelöst werden kann. Gewinnnen werden die Besitzer einen Einkaufskorb, aber nicht gleich, die Straßen sind dicht, die Anlieferung der Körbe verzögert sich etwas, „Haben Sie bitte etwas Geduld, mein Herr.“

Doch der Herr hat's eilig, denn er ist nur mal eben in der Mittagspause, nicht daß Sie denken, die Beamten könnten den ganzen Tag bei so einer Eröffnung, nein, heute fällt das Mittagessen dafür aus. 18 Monate lang hatte der aufmerksame Zeitungsleser seinen Gutschein im Portemonaie in der Gesäßtasche aufbewahrt, ja, in einem ordentlichen Haushalt kommt nichts weg! „Und wenn ich morgen komme, sagen die mir glatt: Wärst Du mal gestern gekommen, da war Eröffnung. Aber da kennen die mich schlecht.“ Und was gibt es für eine Grundstein-Prägemünze anno 1988? Auch nur einen Einkaufskorb aus Bast und leer. Aber

heute sind sie alle gut drauf, die BremerInnen, fühlen sich wohl in der Markthalle, doch da ist endlich eine, die nörgelt, weil auf dem Kundenklo kein Papier ist, und die schnapp ich mir jetzt, doch halt, die wird ja schon vom Buten- und-Binnenteam mit laufender Kamera verfolgt. Pech gehabt heute: Nur zufriedene Leute.

Markus Daschne

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