: DDR-Osterhasen bleiben in den Regalen sitzen
■ Preissenkungen bei Schokolade, Kaffee, Fernsehern und Computern führen nicht zu reißendem Absatz / Die Konkurrenz aus dem Westen macht den DDR-Betrieben schwer zu schaffen / Kundschaft wartet auf die Währungsunion
Die Preise für Konsumgüter purzeln. Wer auf seinem Einkaufszettel einen Osterhasen, Schokolade, Kaffee, Wollwaschmittel, einen Farbfernseher und einen Kleincomputer notiert hat, kann diese Produkte von gestern an erheblich billiger erwerben. Einige Delikat-Schokoladensorten kosten weniger als die Hälfte, Fernseher sind um 2.000 Mark billiger geworden. Trotzdem müssen sich auch zu Ostern die VEB-Konsumgüter weiter in den Regalen langweilen, der Run auf DDR-Schokoladen-Hohlkörper setzte nicht ein. Wie eine Verkäuferin im „Schokoladenmädchen“ am Alex feststellte, führte die deutliche Preissenkung für Schokolade, eine Tafel „Für Dich“ kostete beispielsweise nur noch 2,80 Mark, nicht zu einem erhofften Massenansturm. Während im vergangenen Jahr im Ostberliner Süßwarenbetrieb „Elfe“ noch per Ministerratsbeschluß MitarbeiterInnen aus anderen Betrieben ausgeliehen werden mußten, um die Schokoladen- und Pralinenherstellung weiterhin zu sichern, könnte der inzwischen bedrohlich rückläufige Umsatz das Aus für diesen und ähnliche Betriebe bedeuten. Ungeachtet der desolaten Situation der heimischen Süßwarenindustrie gilt hier jede zweite Nachfrage den Importprodukten. Wenn diese, wie die begehrte „Brüsseler“, nicht zu haben sind, ziehen viele KundInnen wieder ohne Einkauf von dannen. „Unsere Schokolade schmeckt nicht, dann verzichten viele lieber ganz“, drückt eine Kundin das gängige Kaufverhalten aus. Die Dresdener Süßwarenfabrik Elbflorenz hat gerade von 530 Arbeitskräften 350 entlassen. Das große Ostergeschäft der DDR -VerbraucherInnen ist im Westen gelaufen. Einer Auswahl von 30 bis 40 Osterhasen in vielerlei Farben und Größen in den dortigen Geschäften hat das einheimische Angebot nichts entgegenzusetzen.
Beim Kommissionshändler Grasse in der Münzstraße in Berlin stellt die Verkäuferin Käthe Stadie am ersten Tag der Kaffeepreissenkung eine starke Nachfrage fest: „Hamsterkäufe“, wenn auch in bescheidenem Ausmaß. Der Verkäuferin ist das unbegreiflich, da die Produkte kaum wieder teurer werden. Doch das sind wohl die letzten Auswirkungen DDR-üblichen Kaufverhaltens aufgrund der bisherigen Mangelwirtschaft.
Auch der Fachhandel für Radio- und Fernsehtechnik verzeichnete nur gemäßigtes Interesse. Für viele Artikel der DDR-Rundfunkindustrie hatte es bereits im vorhinein Preissenkungen gegeben, die auch nicht zu nennenswerter Umsatzsteigerung beigetragen hatten. In der Computerabteilung ging noch der eine oder andere „Ladenhüter“ über den Tisch - „vielleicht als Spielcomputer für die Kinder“, wie ein Verkäufer bitter bemerkte. Er hatte erst am Vorabend aus den Medien von den Preissenkungen erfahren. Die seien vielleicht etwas zu spät gekommen, noch vor kurzem habe es viele Nachfragen gegeben, doch jetzt warten alle auf die Währungsunion und informieren sich über die westlichen Anbieter.
Dr. Kerstin Münn vom Ministerium für Preise und Finanzen, das die Preissenkung am Montag bekanntgegeben hatte, sieht in der Reduzierung der produktgebundenen Abgaben den Beitrag des Staates zur Vorbereitung auf die Marktwirtschaft. Dann müßten die Betriebe selbst sehen, wie sie KäuferInnen für ihre Waren finden und wie sie sich gegenüber der Konkurrenz behaupten können. Weitere Preissenkungen werden in den nächsten Tagen folgen, etwa für Kosmetikartikel.
Claudia Haas/pm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen