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Mein erster Leserbrief

■ betr.: "Nasenbärs Riecherinnerungen", taz vom 24.3.90

betr.: „Nasenbärs Riecherinnerungen, taz vom 24.3.90

Es ist leider wahr: der/die zufriedene LeserIn schreibt keine LeserInnenbriefe. Insofern haben wir (also Ihr und ich) viele Jahre des meinerseits unausgesprochenen Lobes gemeinsam hinter uns gebracht. Nun aber also!

Nasenbärs Riecherinnerung vom Misthaufen, proudly presented by german taz. War dieses formschöne Textkästchen schon bislang recht zweckfrei und hat allenfalls deutlich gemacht, daß die Kulturseiten derjenige Teil einer Tageszeitung sind, den sie sich nach gemachten Schularbeiten leisten kann (im doppelten Sinn), so haben die „Iden des März“ Dümmlichkeit und Geschmacklosigkeit derart zur Synthese gebracht, daß ich verwirrt zurückblättern mußte, um mich zu vergewissern, daß ich auch wirklich die taz lese.

Mal ganz davon abgesehen, daß ich es beschämend finde, wenn der Pseudolandfreak N. seine Garten„abfälle“ verbrennt statt sie ökologisch richtig zu verwerten, ist dieser Text eine einzige Aneinanderreihung von Infamie und Lederhose:

a) ist Mistverbrennen eine in der Dritten Welt beliebte Heizungsart (ach wie romantisch) und daher eines jeden deutschen Gartenzwerges gutes Recht;

b) „schwelt dann die Ostfront, und es stinkt“ - diese zeitlos schöne Poesie erschließt der Diskussion um die polnische Westgrenze ihre historischen Wurzeln;

c) ähnelt der Gestank von schwelendem Mist so sehr dem Geruch von „französischen Arbeiterzigaretten“ oder einer „Havanna gar“ - da gerät der verkannte Prolodichter ins Schwärmen -, daß jedem(r) vaterländischen(r) Linken klar sein muß: die internationale Solidarität ist eine feine Sache - nur eben nicht für die Nase; und

d) muß gar noch der sicher im Starnberger See versenkt geglaubte Volksausbeuter heraufzitiert werden, um die Ohnmacht des Volkes auf den Punkt zu bringen: der Misthaufen brennt, und wir haben keinen König mehr. Was tun? Nasenbär behilft sich in dieser Not mit dem Allheilmittel aus der (Kla-)Mottenkiste der bourgeoisen Geschichts„bewältigung“: „Frische Wäsche!“ Nach diesem Bericht von der Heimatfront bleibt mir nur die Ergänzung des bärigen Schlußsatzes, daß „die Scheiße (zwar) kalt geblieben“, aber eben doch bis in die Schreibmaschine geschwappt ist.

Ich bin gerne bereit, gelegentlich aus meiner Unterhose zu berichten, was zahlt Ihr denn pro Zeile?

Oswald, Ludwigsburg

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