piwik no script img

Bonn muß Banken-Schieflage in der DDR ausgleichen

DDR-Staatsbank fordert Halbierung der Unternehmenskredite und vollen 1:1-Umtausch der Sparguthaben / Lambsdorff will Schulden der DDR-Betriebe ganz streichen  ■  Von Ulli Kulke

In der Staatsbank der DDR ist man sauer. Bevor sich die Zentralbanker in Ost-Berlin in Sachen 2:1-Umtausch zur Sache äußerten, mußten sie in ihrer Presseerklärung erst mal Frust über das Procedere loswerden: „Wie die Staatsbank aus Veröffentlichungen der Medien in der BRD entnehmen mußte, hat der Zentralbankrat der Bundesbank sich dafür entschieden“, der Bundesregierung den Umtauschsatz 2:1 zu empfehlen. Der Text des Beschlusses „liegt der Staatsbank nicht vor“. Für die Bundesbank ist derlei Kritik an mangelnder Kooperationsbereitschaft „nicht verständlich“. Bei einer „vertraulichen Empfehlung an die Bundesregierung“ sei eine Information der Ostkollegin nicht nötig, wie man gestern der taz erklärte. Aber auch wenn die Frankfurter Währungshüter die „vollständige Zuständigkeit über die Währungspolitik“ nach der DM-Ostmark-Vereinigung fordern, also nicht weniger als die Auflösung der Staatsbank - noch fühlt sich die Staatsbank der DDR bei Währungsdingen als zuständiges Organ. Und in dieser Eigenschaft hat sie sich jetzt noch einmal eindrücklich gegen die Vorstellungen der Frankfurter Bundesbank gewandt. Sie will den Kurs 1:1 ansteuern für Löhne, Renten und Sparguthaben. Lediglich die Schulden der Betriebe sollen nach ihren Vorstellungen halbiert werden, wenn am TageX alles in D-Mark konvertiert wird.

Die Staatsbanker betätigen sich damit freilich eher als Sachwalter der Noch-DDR-Bevölkerung denn als Banker, denn die Halbierung der Schulden wird gewaltige Abschreibungen in ihren Büchern nötig machen, bevor sie sie nach Frankfurt schickt. Ausgleichsforderungen und jährliche Zinszahlungen in Milliardenhöhe werden auf den Bundeshaushalt zukommen, so daß das 'Handelsblatt‘ gestern schon klagte: „All die Probleme, die jetzt das deutsch-deutsche Verhältnis belasten, wären vermieden worden, wenn man nicht der DDR mit der Tür ins Haus gefallen wäre.“

Der Jahresbericht der Staatsbank der DDR weist per ultimo 1989 ausstehende Kredite an die Wirtschaft des Landes in Höhe von 260,4 Milliarden Mark aus. Mit dem Löwenanteil von 242,2 Milliarden stehen die Volkseigenen Betriebe bei der Staatsbank beziehungsweise ihrer Nachfolgerin im Geschäftsbankenbereich, der „Deutschen Kreditbank AG“, in der Kreide. Die von der Wirtschaft bei den Banken angelegten „Geldfonds“ betragen dagegen nur 48,3 Milliarden Mark. Die Wirtschaft ist also bis zum Stehkragen verschuldet. Kein Wunder, hatten die Betriebe doch mit einer Abgabenbelastung von bis zu 96 Prozent ihrer Gewinne zu kämpfen. Die Fremdfinanzierungsquote der Betriebe (Verhältnis der kredit zu den eigenfinanzierten Investitionen) ist daher mit 60 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in der Bundesrepublik (20 bis 30 Prozent). Günther Mittag als Wirtschaftslenker im Politbüro freute sich einst darüber, konnte er doch so über die Kreditvergabepolitik der Staatsbank zusätzlichen Einfluß auf das ökonomische Geschehen im Lande ausüben. Umgekehrt ist das Verhältnis bei den Kreditbeziehungen zwischen den Banken und der Bevölkerung. Insgesamt 174,4 Milliarden Mark haben die sparsamen DDR-Bürger an Guthaben angehäuft. Dem stehen lediglich Schulden in Höhe von 18,3 Milliarden gegenüber.

Die Bevölkerung hat also das Geld zur Staatsbank getragen, die Wirtschaft hat es sich abgeholt. Auch der Laie erkennt hier unschwer, daß sich eine ungeheure Lücke auftun wird, wenn die Deutsche Kreditbank gegenüber der Wirtschaft nach der Devise „aus zwei mach eins“ verfährt und die Sparguthaben in voller Höhe erhalten will. Aber auch der Fachmann aus Bonn sieht keinen anderen Weg und gibt der Staatsbank Schützenhilfe: FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff will die Betriebsschulden gar zum Verhältnis „1:0“ umwandeln also schlicht streichen, um die Unternehmen nicht durch horrende Kreditbelastungen zu strangulieren. Die Sparguthaben dagegen will auch Lambsdorff in voller Höhe erhalten. Äußerungen der Bonner Regierung in den lezten Tagen deuten immerhin auf eine gewisse Bereitschaft hin, den Bundesbankvorschlag vom generellen 2:1 in diesem Sinne aufzuweichen.

Sollte der Wunsch Lambsdorffs und der Staatsbank in Erfüllung gehen, so drohen den Bilanzen also gewaltige Schlagseiten. Und sollen die das gerade vom Stapel gelaufene neue Bankensystem der DDR nicht noch vor der Hafenausfahrt zum Kentern bringen, muß jemand den Balast der Altschulden übernehmen. Auf jeden Fall wird der Bundeshaushalt Ausgleichsforderungen übernehmen müssen. Bei der Halbierung der 260 Milliarden Mark Schulden der Wirtschaft wären das immerhin 130 Milliarden D-Mark. Die heute gültige Zinsbelastung auf diese Forderungen wären noch nicht sehr hoch: Die Staatsbank knöpfte den Betrieben bislang nur magere fünf Prozent Zinsen ab. Doch dabei kann es nicht bleiben.

Damit die DDR-Bürger nicht auf einen Schlag ihre Sparkonten bei den Banken kündigen, um sie zu höheren Zinsen bei westdeutschen Banken anzulegen, werden auch die DDR-Banken attraktivere Sparzinsen als die heutigen 3,25 Prozent anbieten müssen. Um diese zu finanzieren, müssen sie auf der anderen Seite mehr Zinsen auf ihre Kreditforderungen verlangen, zehn Prozent wäre etwa der derzeitige Marktzinssatz in der Bundesrepublik. Sollte Bonn dann tatsächlich die 130 Milliarden auf sich nehmen, müßte Finanzminister Theo Waigel dreizehn Milliarden Zinsbelastung pro Jahr einkalkulieren - allein für den Ausgleich dafür, daß die Bundesregierung Teile der Verbindlichkeiten der DDR -Betriebe übernimmt. Bei weiterhin geplanter weiterer Steuersenkung für die Bundesbürger wird dies nur bei der Quadratur des Geldkreislaufes funktionieren. Doch bei den dreizehn Milliarden wird es nicht bleiben.

Sollten die Löhne auch nur etwas ungünstiger als im Verhältnis 1:1 umgewechselt werden, und schon gar, wenn der Bundesbankvorschlag 1:2 verwirklicht wird, dann darf auf die derzeit billigen Mieten in der DDR kein Pfennig draufgeschlagen werden, wenn es nicht zu „DM-Riots“ kommen soll. Die durchschnittliche 50-Mark-Miete hat bisher gerade dafür gereicht, die Zinsen auf die Wohnungsbaukredite zu begleichen, die mit 4,5 Prozent weniger als halb so hoch wie in der Bundesrepublik liegen. Schon für Farbe zum Neuanstrich hat es nicht mehr gereicht. Wenn die Hypothekenzinsen mit den bundesdeutschen in Höhe von rund zehn Prozent wiedervereinigt werden, muß dafür irgendeiner aufkommen, um die Mieten niedrigzuhalten. Derzeit steht die Wohnungswirtschaft mit 108 Milliarden Mark in der Kreide.

In welchem Ausmaß die volkseigenen Unternehmensschulden zu Lasten des Bundeshaushaltes gekappt werden, steht noch völlig in den Sternen. Auffällig ist nur, daß hierbei kaum jemand für 1:1 plädiert. Als einen groben Anhaltspunkt hat etwa das 'Handelsblatt‘ die Relation 4,65:1 ausgemacht. Zu diesem Kurs wurden den DDR-Betrieben im deutsch-deutschen Handel Ostmark gutgeschrieben. Das hieße immerhin über 20 Milliarden DM Zinsen für Bonn pro Jahr.

Diese Summen lassen sich noch halbwegs kalkulieren, da es sich um Bestandsgrößen und berechenbare Zinsen handelt. Anders verhält es sich mit den laufenden Einkommen. Auch hier wird Bonn nicht um Zuschüsse herumkommen, ganz gleich ob es bei 1:2 bleibt oder 1:1 erstreikt werden kann. 1:2 ist zu niedrig zum Lebenserhalt, und 1:1 können die DDR-Betriebe nicht zahlen. Und in der DDR-Staatsbank wußte man auf Anfrage auch noch keine Antwort darauf, wer denn die Löhne bezahlen soll, wenn die Staatsbankforderung nach 1:1 erfüllt werde.

Ein Trost bleibt dem Bundesfinanzminister: Er kann Geld verkaufen. Wenn im Zuge der Währungsunion die DDR mit dem nötigen Kleingeld ausgestattet werden muß, wird die Münzprägemaschine in Gang gesetzt. Weil nun die Herstellung vom Pfennig bis zum Fünfmarkstück weit billiger ist als ihr Wert, fällt für den Bonner Haushalt der sogenannte „Schlagschatz“ an. Der Nachtragshaushalt für 1990 zur Finanzierung der Erstausstattung der DDR mit 500 Millionen D -Mark Westscheinen und -münzen brachte 385 Millionen ein. Am meisten bringen übrigens die Fünfmarkstücke ein, die Pfennige dagegen nicht viel mehr als Ehre.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen