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Gewaltlos gegen den Gewalt-Sport

■ Motorsport gefährdet Landschaft / Rallye raus aus Landschaftsschutzgebieten

Motorsportfreunde landauf landab haben dem bevorstehenden Wochenende mit Spannung entgegengesehen. Der Grund: Heute startet die 30. Internationale Pneumant-Rallye in und um Berlin. Das ganze nur eine von sage und schreibe 830 Motorsportveranstaltungen in der DDR, allein in diesem Jahr. Aber besagte PS-Jagd und gleichzeitig wohl auch recht einträgliche Werbefahrt für das Fürstenwalder Reifenwerk hat wie so vieles ihre Kehrseite. Führte doch die Strecke seit Anfang der 70er Jahre auf Grund der besonderen Straßenverhältnisse quer durch die schönsten Landschaften und Naturschutzgebiete des Bezirkes Frankfurt (Oder). Die Märkische Schweiz und der Gelmersdorfer Forst im Kreis Angermünde blieben bei besagter Rallye ebensowenig verschont wie das schützenswerte Gebiet um den Frankfurter Helenesee. Selbst das älteste deutsche Naturschutzgebiet Plagefenn schien für Rennstrecken geradezu prädestiniert. Pech für gerade zu dieser Jahreszeit brütende Seeadler und balzende Kraniche, wenn sie sich von tausenden Schaulustigen und ebenso lärmenden wie stinkenden Autos stören ließen. Als zu Beginn der 80er Jahre auch hierzulande der Begriff Ökologie mehr und mehr den Charakter eines Fremdwortes verlor, machten Naturschützer, Künstler, Wissenschaftler und Pastoren auf das Problem aufmerksam. Der Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen, denn erreicht wurde lediglich, daß Strecken verändert und gekürzt, aber nie ganz aus den Landschaftsschutzgebieten herausgenommen wurden. Stattdessen fadenscheinige Argumente von entweder Unwissenden oder besonders skrupellosen Funktionären aller Ebenen. Dazu die Eberswalder Biologin Dr. Hannelore Kurt: „Wir trafen immer wieder auf das Argument, wir müßten direkt den Schaden nachweisen. Das ist aber so gut wie unmöglich. Weisen sie mal nach, in welchem Maße der Seeadler über einem bestimmten Zeitraum geschädigt wird, durch den Krach des Fahrzeuges und die Hunderten von Schaulustigen. Wir waren der Meinung, das ist vor allem eine ethische und moralische Frage, wie wir mit den letzten ökologisch intakten und zudem artenreichen Landschaften umgehen.“

Aber was waren schon 100 mündliche und schriftliche Eingaben, die sich zwischen 1982 und 1989 dieses leidigen Themas annahmen, gegen eine Partei und deren Institutionen, die sich vom Prinzip der eigenen Unfehlbarkeit leiten ließen. Der Rallye zuliebe wurden Ausnahmegenehmigungen erteilt, wo man allzu offensichtlich gegen Landeskulturgesetz und Beschlüsse des Bezirkstages verstoßen hätte. Noch einmal Dr. Hannelore Kurt: „Was dahinter stand an ganz privaten Interessen, das haben wir erst im nachhinein erfahren. Wir wissen zum Beispiel, daß der Sohn von Herrn Mielke offenbar ganz persönlich an der Streckenführung interessiert war. Er ist nämlich Mitglied des Rallye-Vorstandes, und ich glaube, an solchen Interessen ist letztendlich die Kehrung der Streckenführung über Jahre gescheitert. Das war eben eine ganz politische Sache. Wir sind im übrigen mehrfach gewarnt worden, die Finger davon zu lassen.“ Mit der neuen Offenheit, die letztendlich auch im Umweltbereich eingezogen ist, ließ sich der Unmut der ökologisch angagierten und bis dahin lästigen „grünen Spinner“ in diesem Jahr nicht mehr länger vom Tisch wischen. Inwieweit beim Veranstalter und dem ADAV sowie dem MC-Post -Berlin als Ausrichter jetzt die Einsicht in die ökologische Notwendigkeit gesiegt hat, oder vielmehr die Kenntnisse um angekündigte Blockaden entlang der Rennstrecke den Ausschlag gaben, sei mal dahingestellt. Die erst in diesen Tagen getroffene Entscheidung, eine Strecke ausschließlich auf öffentlichen Straßen vorzusehen, die gleichzeitig sämtliche Landschaftsschutzgebiete ausspart, ist und bleibt ein bemerkenswerter Erfolg der grünen Idee, wenn auch ein später. So hat die Jubiläumsrallye schon ihre Sieger, bevor heute der erste Startschuß fällt.

Rainer Marschel

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