piwik no script img

Keine Zeit für Kunick-Sturz

■ Abgeordnete werden auf Staatskosten in die ganze Welt verschickt

Die Opposition der Bürgerschaft ist sich einig: Bausenator Kunick muß weg. Der Sturz-Versuch ist beschlossene Sache. Völlig ungeklärt ist bislang bloß: Wann eigentlich?

Als die Abgeordneten ihre Kalender jetzt nach einem geeigneten Sturztermin durchblätterten, mußten sie mit bedauerndem Achselzucken feststellen: Keine Zeit zum Bausenator-Stürzen. Auf ihren Terminplänen steht reisen, denn Reisen bildet bekanntlich. Und wer will als Volksvertreter schon auf Dauer ungebildet bleiben. Zumal die Bildung dienst-reisemäßig erfolgt. Und das heißt: Gratis.

Im Augenblick ist jede Suche nach einem Bausenator -Sturztermin ohnehin zum Scheitern verurteilt. Grund: Der sechsköpfige Bürgerschaftsvorstand pflegt unter Leitung von Bürgerschaftspräsident Dieter Klink seit einer Woche Kontakte in Israel. Am Montag werden die BürgerschaftspräsidentInnen zwar zurückerwartet, aber Zeit zur Koordinierung des Kunick-Sturzes bleibt ihnen kaum. Taiwan ruft. Auch kostenlos. Und weil's so billig und Taiwan so schön ist, dürfen diesmal auch alle Fraktionsvorsitzenden mit. Sogar die von der Opposition. (Bis auf die Grünen. Da hatten einige die dunkle Ahnung, daß Taiwan-Reisen auf Staatskosten möglicherweise zu Irritationen im Wahlvolk führen könnten. Zur Vervollständigung des reisenden Parteienspektrums „opferte“ sich schließlich der Häfenexperte Manfred Schramm. Der Grüne hatte herausgefunden, daß es in Taiwan Häfen geben soll, von deren Besichtigung sich Schramm jetzt höchst befruchtende Impulse für seine hiesige Oppositionstätigkeit verspricht.)

Aber, selbst wenn Schramm auf seine fernöstlichen Inspirationen verzichtet hätte: Zeit zum Kunick-Sturz hätte sich trotzdem nicht gefunden. Während Bürgerschaftsvorstand plus Frakionsvorsitzende plus Manfred Schramm in Taiwan dienst-weilt, bildet sich parallel die komplette Bildungsdeputation über das türkische Bildungswesen fort. Allein die Storno-Kosten für die langfristig gebuchte Türkei -Reise würden sich auf 40.000 Mark belaufen, hat die Bürgerschaftsverwaltung ausgerechnet. Bürgerschaftspräsident Klink - bekanntermaßen ein Ausbund der Sparsamkeit - ließ deshalb gestern aus Israel dringend um eine Verschiebung der Kunick-Sturz-Sitzung ersuchen. Inzwischen anvisierter Termin: die letzte April-Woche nach seiner eigenen Rückkehr aus Taiwan bzw. der Bildungsdeputierten aus der Türkei. Geht aber schon wieder nicht. Was Klink übersah: Vom 23. April bis bis zum 2. Mai badet die Sportdeputation unter Anleitung von Sportsenator Volker Kröning im Toten Meer und besichtigt den See Genezareth. Zweck der Reise: Information über den Stand der Sportstätten-Technik in Israel.

Rosi Roland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen