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■ John Kay & Steppenwolf
»Schmeiß deinen Motor an/ und bretter auf die Autobahn/ scharf auf 'ne Sause/ egal, was da kommt/ denn du bist geboren, um wild zu sein.« So wird zur Zeit in Deutschland Auto gefahren. Der Soundtrack dazu ist gut 20 Jahre alt, und der stammt von einem, der auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geboren wurde: von John Kay, dem Sänger der Rockband Steppenwolf, und Inkarnation rückständiger Biertrinkerherlichkeit. Welcher aufrechte Bürgerschreck von vorgestern hätte 1969 ahnen mögen, daß aus der Bikerhymne einmal das Leitmotiv des gesamtdeutschen Stauwunders werden würde?
Wer ist eigentlich unterwegs und wohin? Wendige Trabanten auf dem Hochweg zur bundesrepublikanischen Hölle müssen, kaum daß sie The Wall hinter sich gelassen haben, kurz hinter Helmstedt mit gebrochenem Rückgrat aufgeben. Grönemeyernd bleiben sie gemeinsam mit Opelfahrern aus aller Herren Bundesländer im Mainstream stecken, während Kraftwerks irgendwie ganzheitliche Technikvision — »Vor uns liegt ein weites Tal/ die Sonne scheint mit Glitzerstrahl/ und wir fahr'n auf der Autobahn« — unbeachtet auf dem Mittelstreifen der Musikgeschichte liegenbleibt.
In dieser historischen Formation tritt John Kay mit Altmetall im Gepäck wieder auf den Plan. Der frisch geheuerte Keyboarder hat ein paar Rallyestreifen auf den abblätternden Lack des Steppenwolfmobils gemalt, und die Ventile des Viertakters wurden nachgestellt. Im Fahrgastraum ist jedoch alles gleich geblieben. Noch immer ist die freie Fahrt für freie Rocker die oberste Maxime. Da werden walls downgeteart, daß die Schwarte kracht, und people dancen on the Ruinen des Mahnmal of injustice. Kay kann man believen, daß er die tears of joy in den Augen der Berliner noch erleben durfte — so geduldig ist die Bluestonleiter. Die Dumpfmucke des — musikalisch gesprochen — rechtsradikalen Rockrentner wäre kaum der Erwähnung wert, gäbe es nicht die schwere Lebensgeschichte, die Leidens- und Frontmann Kay hinter sich gebracht hat.
Im Alter von fünf Jahren unternahmen Kay, seine Mutter und seine Tante einen »Fluchtversuch in den Westen«, heißt es im Presseinfo zur neuen Langspielplatte Kays. »Die Gruppe der Flüchtenden war in zwei Hälften unterteilt, eine mit Frauen und Kindern, die andere mit Männern und älteren Jungen. Nur der ersten Hälfte gelang die Flucht. Von den anderen wurde nie mehr etwas gehört.« Hätte sich der Iwan in diesem speziellen Fall an Frauen und Kindern vergriffen, wäre uns der Rechtsabbieger Kay erspart geblieben. (um 20 Uhr im Metropol) Stefan Gerhard
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