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Gesetz gegen Kredithaie in Ex-DDR

Viele Neu-Bundesbürger lassen sich auf unlautere Kreditgeschäfte ein  ■ Von Hannes Klug

Berlin (taz) — „Bargeld an alle Neu- Bundesbürger“ versprechen Anzeigen in Berliner Zeitungen, und die Angeboten klingen gut: „Bis 10.000 Mark ohne Sicherheiten“. Neben dem Kreditgeschäft der Banken mit früheren DDR-BürgerInnen werben immer mehr Kreditvermittler Kunden aus dem ärmeren Teil Deutschlands. „Unbürokratisch und diskret“ bieten sie schnelles Geld an und lassen sich ihren Service gut bezahlen. Bereits Anfang 1991, warnte die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherzentralen (AgV) in Bonn, werde in der ehemaligen DDR „die Verschuldungsbombe platzen“. In der vergangenen Woche verabschiedete der Bundestag eine Novelle des Konsumentenkreditgesetzes, das den Schutz vor Geldverleihern verbessern soll. Kunden haben ein schriftliches Widerrufsrecht von einer Woche, Verzugs- und Zinseszinsen wurden begrenzt. Allein in der „alten“ Bundesrepublik, stellte Justizminister Hans Engelhard (FDP) fest, gibt es 1,2 Millionen Haushalte, die Schwierigkeiten haben, ihre Schulden zu bezahlen. Die Verbraucherzentrale hat ausgerechnet, daß für einen Kredit von 8.000 Mark, für den man bei einer Geschäftsbank nach drei Jahren 9.168 Mark zurückbezahlt, ein Kreditvermittler nach gleicher Zeit 11.203 Mark kassiert.

Verbraucherverbände kritisieren noch mehr: Weil sie selbst kein Risiko tragen, haben Vermittler wenig Interesse, zu überprüfen, ob der Kreditnehmer den Betrag tatsächlich zurückzahlen kann. Auskunfts- und Bearbeitungsgebühren kassieren sie auf jeden Fall. Und wer die Raten nicht bezahlen kann, bekommt den teuren „Zusatzkredit“, um alte Forderungen zu begleichen.

Auch die Banken haben die Skepsis im Ost-Kreditgeschäft abgelegt. Unsichere Lebensverhältnisse lassen eine zuverlässige Prüfung der „Bonität“ zwar kaum zu. Doch fast alle Kreditinstitute machen ihr Geschäft mit dem östlichen Kaufhunger. Wie sicher der Arbeitsplatz ist, spielt dabei keine Rolle. Wenn der Kunde zwei Monate mit einer Rate in Verzug ist, kann der Kreditgeber den Vertrag kündigen. Folge: Die Gesamtsumme wird auf einmal fällig. „Wie ein Fallbeil“, so AgV-Finanzexperte Günter Hörmann, schwebe diese „Gesamtfälligstellung“ über den ehemaligen Bürgern der DDR.

Diese Praktik läßt auch das neue Gesetz unangetastet. Wie bisher muß jemand, der durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit in Not gerät, plötzlich zigtausend Mark auf einmal zahlen. Wer gegen eine Kreditagentur vor Gericht ziehen will, hat kaum Chanchen. Der Kreditnehmer muß beweisen, daß der Vertrag nach Paragraph 138 BGB „sittenwidrig“ ist. Dafür muß der vereinbarte Zins in der Regel mehr als Doppelte vom Marktzins betragen. Der liegt momentan bei knapp 13 Prozent. Kreditvermittler, die sich vorher nicht auf den DDR-Markt trauten, haben seit dem 3. Oktober keine Hemmungen mehr. Ein Geschäftsmann freut sich: „Jetzt können wir auch in der DDR pfänden.“

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