piwik no script img

Offene Briefe gegen Karenztag

■ Bremer IG Metall: Streikaktionen lieber erst nach den großen Sommerferien

Über 36.000 GewerkschafterInnen haben gestern in Niedersachsen mit Arbeitsniederlegungen gegen die von der Bonner Koalition geplante Einführung eines Karenztages bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall protestiert. Im VW-Werk Wolfsburg legten rund 20.000 Beschäftigte kurzfristig die Arbeit nieder. Im Werk Hannover waren es rund 9.000, die am Vormittag für eine Viertelstunde ihre Arbeit unterbrachen. In Bremen spielte sich der gewerkschaftliche Protest gegen den Karenztag-Plan dagegen bisher lediglich auf dem Papier ab.

Auf einer Sitzung von Funktionären und Vertrauensleuten der IG Metall aus 30 Bremer Betrieben wurde am Donnerstag abend lediglich dazu aufgerufen, mit offenen Briefen an Arbeitsminister Norbert Blüm gegen den Plan zu protestieren. „Öffentliche Protestaktionen würden zur Zeit womöglich nicht die Schlagkraft zeigen, die der Empörung der Kollegen entspricht“, hieß es gestern dazu aus der Bremer-IG-Metall- Zentrale, „damit können wir erst nach Ende der Urlaubszeit anfangen.“ Die VW-Belegschaft sei da einfach in einer besseren Situation, da deren Betriebsferien noch nicht begonnen haben.

Der Betriebsrat von „Atlas Elektronik“ in Bremen hatte am Donnerstag bereits den ersten offenen Brief an Minister Blüm nach Bonn geschickt. „Das Wiedereinführen eines Karenztages stellt einen unglaublichen Akt von Arroganz gegenüber ArbeitnerhmerInnen dar, die im Jahre 1957 die dringend notwendige sozialpolitische Reform herbeiführten“, heißt es darin und weiter: „Der Betriebsrat wird durch Aufklärung der KollegInnen diesen und weitere Rückschritte in der Sozialpolitik zu verhindern versuchen.“

Die Deutsche Angestellten- Gewerkschaft (DAG) hat unterdessen alle Bremer Rechtsanwaltsbüros, Steuerberater und Großhandelsbetriebe aufgefordert, mit ihr einen Tarifvertrag über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall abzuschließen. In diesen Bereichen gebe es für die Arbeitnehmer keinen tariflichen Schutz. Diese Aktion sei ein Weg, möglichst schnell zu erkennen, „welche Arbeitgeber mit der Einführung eines Karenztages spekulieren“, heißt es dazu in einer DAG-Erklärung.

Widerstand gegen den Plan der Bonner Koalition hat auch Bürgermeister Klaus Wedemeier in einem Gespräch mit der DAG angekündigt. „Karenztage zur Finanzierung der Pflegeversicherung sind mit uns nicht zu machen“, sagte er am Mittwoch, „dafür ist unsere Stimme im Bundesrat nicht zu haben.“ Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen