: Risse im Betonfunk Hundert,6
■ Neun zum Teil leitende Redakteure verließen in dieser Woche den Privatsender und wechselten zum Berliner Rundfunk/ Hintergrund sind personelle Querelen mit Chefredakteur Georg Gafron/ Lizenzbehörde verfolgt Vorgänge mit Aufmerksamkeit
Berlin. Mittwoch nachmittag, um 14 Uhr warfen neun zum Teil leitende Redakteure des Kommerzsenders Hundert,6 das Handtuch. Sie kündigten der »Bild-Zeitung der Lüfte«, um fristgerecht zum 1. Oktober bei der Konkurrenz, dem Berliner Rundfunk (»Wir von hier hören 91,4«) anheuern zu können. Georg Gafron, Chefredakteur und Geschäftsführer des bislang erfolgreichen Heimatsenders (»Wir sagen der schweigenden Mehrheit, daß sie die Mehrheit ist«) reagierte auf die redaktionelle Massenflucht mit der Setzung einer Frist: 20 Minuten gab er den Abtrünnigen um den bisher stellvertretenden Chefredakteur Klaus Kelle und Sportchef Ralf Sprengel, um zu verschwinden. »Wir haben das Haus nicht im Groll verlassen«, meint Kelle, der nun beim Berliner Rundfunk Chefredakteur werden soll.
Weniger diplomatisch drücken sich andere aus: »Es ist nicht das Geld, es ist nicht die Arbeit, es ist Gafron.« Sein Zynismus (»die Mitarbeiter sind für ihn Muppets«) und seine notorische Rechthaberei seien für den Abgang verantwortlich. Bereits im vergangenen Dezember hatte sich Hundert,6-Gründer Schamoni mit Gafron überworfen und dem Sender den Rücken gekehrt. Im Juni gab die bisherige geschäftsführende Gesellschafterin Rita Isa Worch ihr Ausscheiden bekannt. Ihr folgten weitere Mitarbeiter der Marketingabteilung.
Für Gafron ist der bisher einmalige Exodus eine »in der Branche übliche Fluktuation«. Das Programm werde »in gewohnter Qualität fortgesetzt«. Im Kampf um die Hörergunst und Marktanteile ist der Verlust von gut der Hälfte der Redaktion jedoch schmerzhaft, zumal es der Berliner Rundfunk auf (fast) dieselbe Zielgruppe abgesehen hat. Programmdirektor Uwe Frigge und das »Zugpferd« des Senders, Koordinator Günter Jauch, wollen dem ehemaligen Staatsfunk ab 25. September ein neues Format verpassen. Bislang setzten die westdeutschen Gesellschafter (u.a. FAZ, DuMont, Schauberg, Neue Medien Ulm) voll auf Ost-Identität. »Wir wollen den Osten aus dem Osten integrieren«, erklärte Geschäftsführer Claudio Funk im Februar, 98 Prozent der Mannschaft kämen aus den neuen Ländern. Doch nach Ablauf der halbjährigen Probezeit wurde so mancher Vertrag nicht verlängert. Immer mehr Westler rückten ein. Das sei kein Problem, meint Programmdirektor Frigge, der selbst von Antenne Bayern an die Spree wechselte, die Wessis seien »echte Pfundstypen«. Im Gegenteil: »Jahrelang haben die Hundert,6er die Einheit gepredigt, jetzt können sie sie verwirklichen.«
Mit Aufmerksamkeit verfolgt die Lizenzbehörde die Vorgänge um den Berliner Rundfunk, denn zu den Sendeauflagen gehört, daß »bewährte Programmelemente weiterentwickelt« sowie »einem großen Teil der bisherigen Mitarbeiter des Berliner Rundfunks eine Beschäftigung angeboten werde«. Wenn Ende 1993 alle Privatfunklizenzen auslaufen und der Medienrat über eine Verlängerung entscheidet, wird die Einhaltung der Auflagen eine Rolle spielen. Nicht nur beim Berliner Rundfunk, auch Energy und r.s.2 wurden nur unter bestimmten Konditionen zugelassen. Ilona Marenbach
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