Der sportive Revoluzzer

■ Harm Beyer, Ex-Schwimmfunktionär, startet markig in den Wahlkampf um den NOK-Chefsessel

Berlin (taz) — Harm Beyer, der ehemalige Antidoping-Beauftragte des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), hat die Schelte von Barcelona gut verkraftet. Bei den Olympischen Spielen hat Goldschwimmerin Dagmar Hase unter Tränen Beyers Anti-Doping-Kurs kritisiert. Daraufhin trat Beyer zurück, weil der eigene Schwimmverband ihn nicht genügend unterstützte. Elf Tage nach dem Eklat meldet sich der 56jährige Amtsrichter wieder lautstark zurück. Immerhin will er im November die Nachfolger von Willi Daume als Präsident des NOK antreten! „Barcelona war eine Zirkusveranstaltung. Aber sie versetzte die Zuschauer in Höchststimmung. Keiner fragte danach, wie Siege und Rekorde zustandekamen“, poltert der Hamburger und mutmaßt, daß viele Athleten mit verbotenen Mitteln „nachgeholfen“ haben.

Tatsächlich probt der streitbare Funktionär den Aufstand: „Der moderne Spitzensport muß unabhängig sein, frei vom Einfluß von Staat und Politik.“ Auffällig, das die Wirtschaft fehlt in Beyers Aufzählung: „Der Hochleistungssport ist ein Geschäft, er hat nichts mehr mit Idealen wie Anstand, Sitte, Ehrlichkeit zu tun.“ Was er offenbar für unabwendbar hält. So fordert er ein Ende der olympischen Heuchelei: „Jene 80 Prozent der Bevölkerung, die sich gegen Doping aussprechen, wollten auch Siege bejubeln.“ Ausweg könne nur eine Freigabe sein unter medizinischer Aufsicht. Damit begibt sich der sportive Revoluzzer allerdings auf dünnes Eis. Denn auch seine Freigabe-Ideen beinhalten Verbote, etwa für Kinder und Jugendliche. Wie aber soll diese extrem breite und unübersichtliche Ebene kontrolliert werden, wenn schon jetzt die Kontrolle einer relativ kleinen Elitegruppe nicht funktioniert?

Eine Frage, der sich Beyer bislang nicht gewidmet hat. Viel hat er um die Ohren, wenn er gegen den NOK- Generalsekretär Walther Tröger um den NOK-Chefsessel kandidieren will: „Wenn die Bereitschaft da ist, daß wir im deutschen Sport Veränderungen brauchen, soll man mich wählen. Dann haben wir eine kritische, aufregende und lebendige Zeit vor uns.“ miß