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Entschwundene Leidenschaft

■ Hamburger SV: 0:1 Heimniederlage gegen Nürnberg / 15 000 Zuschauer litten im Hamburger Volksparkstadion / Fußball ohne Überzeugungswillen

: 0:1 Heimniederlage gegen Nürnberg / 15000 Zuschauer litten im Hamburger Volksparkstadion / Fußball ohne Überzeugungswillen

Präsident Jürgen Hunke und Neu-Manager Heribert Bruchhagen sind sich einig: Der Hamburger Sportverein soll ein ECHTER Sympathieträger werden. Bis zur kikkenden Basis scheint dieser neusaisonale Vorsatz jedoch nicht gesikkert zu sein. „Thommy“, „Wuschi“, „Harry“ & Co. (aus der Spitznamen-Story des Stadionmagazins) agierten am Dienstag abend gegen den 1. FC Nürnberg, als seien die 15900 anwesenden Fans (Versicherungsmakler Hunke: „Unsere Kunden“) allesamt lästige Liebhaber, die es loszuwerden gilt.

Irgendwie egal lief die von Egon Coordes mal wieder neu zusammengewürfelte Truppe (Die Hauskomposition lautete Armin Eck/ Florian Weichert statt, wie in Dresden, Marinus Bester/Jörg Bode) auf, simulierte die längst entschwundene Leidenschaft: Fußball ohne Überzeugungswillen.

Die Gäste aus dem Süddeutschen spielten nur wenig mehr inspiriert auf, aber das reichte ja auch, um die Hamburger zu düpieren. Während der ersten Hälfte ließ sich die Zeit nur plaudernd mit dem Sitznachbarn (Tribüne) oder Raketen abschießend und aneinandergeschmiegt schunkelnd (Westkurve) herumbringen. Der Blick aufs Feld deprimierte unnötig. Augenfällig nur jeweils eine Aktion von Eck und Rohde, die ihre Energie, da niemand aus der eigenen Mannschaft mitzuspielen schien, in Direktschüsse aus jeweils 20 Meter Tordifferenz entluden. Nürnbergs Torwart Andreas Köpke paradierte und gab dem 100köpfigen Anhang Anlaß, die rot-schwarzen Schals zu lüften.

Sechs Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit konnte dieses Ritual wiederholt werden: Der sinnend wirkende Armin Eck schien den Ball direkt in den Lauf des herbeieilenden Nürnbergers Christian Wück zu legen. Dieser bedankte sich nicht lange und schoß, unhaltbar, an Golz vorbei ins Tor. Die Westkurvengäste und die Mannen um Frank Rohde wachten hernach noch einmal auf, aber nur, um sich kurz umzudrehen. Tore fielen keine mehr.

Der HSV habe recht hilflos gewirkt, befand ein Pressevertreter auf der nachfolgenden Medienkonferenz. Egon Coordes sah sich, ernst und schwer beleidigt, genötigt, dieses Adjektiv neu zu definieren: „Nur wenn man im Rollstuhl sitzt, ist man hilflos!“ Eben nicht, schien auch Heribert Bruchhagen mit gefalteter Stirn und bestückt mit goldenen, markstückgroßen HSV-Knöpfen am marineblauen Jakkett, zu ahnen. So jedenfalls werden die 23 freien Plätze im „Sponsorenpool“, einer vierseitigen Rubrik im aufgepeppten Vereinsmagazin HSV-live, ebensowenig voll, wie die Betonschüssel am Volkspark. Um Sympathisanten zu werben, ist eben mehr Charme vonnöten, eine Eigenschaft, die FC-Trainer Willi Entenmann im Übermaß verströmte: „Ob dieser Sieg verdient war oder nicht, überlasse ich allein Ihrer Entscheidung“, sprach er mit filigranem Lächeln unterm Silberschopf hervor.

Sonny Darling

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