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Zuversicht trotz Kälteschock

■ Hanseatischer Kulturaustausch im Werden / Helga Trüpel berichtete von ihrer Dienstreise nach Riga

Eine Reise nach Riga, die Hauptstadt Lettlands, die ist zu dieser Jahreszeit nicht das reine Vergnügen. Der Winter naht, die Temperaturen sind weit abgesackt, und der Schnee fällt. Die junge Unabhängigkeit beschert dem Land chronische Devisenknappheit und in deren Folge die rigorose Rationierung von Heizöl. In Riga wird gefroren, dies gehört zu den prägenden Eindrücken, die Helga Trüpel von ihrer Reise nach Riga mit nach Hause brachte. Es wird gefroren im Freien, wo der knöchelhohe Schnee die Kälte unmißverständlich macht, in den Privathäusern, in Hotels und Schulen, in Kindergärten und allen öffentlichen Gebäuden. Es wird so sehr gefroren, daß viele Letten die Schnapsflasche zur Minimalheizung gebrauchen. Dennoch, so schilderte die Senatorin, strahlten die Letten große Gelassenheit aus, Lebensfreude und Zuversicht, daß sich jetzt, da man die sowjetische Kolonisierung abgestreift hat und sich zur Marktwirtschaft bekehren durfte, alles zum Bessern wendet.

Im Senatsauftrag war Bremer Kultursenatorin in die lettische Hauptstadt gefahren, um dort 30 sehr gut erhaltene Pergament- Urkunden aus der lettischen Deutschordenszeit zu übergeben. Die historischen Schriftstücke aus dem 15./16. Jahrhundert waren vor zwei Jahren mit einer größeren Lieferung 1945 nach Moskau verlagerten Archivguts dem Bremer Staatsarchiv zurückgegeben worden, dem sie nicht gehörten. Die Rigaer Offizialen freuten sich mächtig über die Gabe des lange Zeit verschollenen Kulturguts, und planten — noch inkonkret — eine gemeinsame Ausstellung dieser und weiterer Dokumente aus der gemeinsamen Geschichte. Die Bremer Senatorin dagegen sieht die Rückgabe der Rigaer Dokumente als ein Signal, das die russische Regierung bewegen möge, sich zur Rückgabe der mehreren Hundert „Bremer Bilder“ durchzuringen, die als Kriegstrophäen in die Sowjetunion gelangt waren.

Ihre Rigaer Gesprächspartner jedenfalls waren begeistert, so berichtet Helga Trüpel, und ließen zur Feier des übergabetages sogar die Heizung ein wenig anstellen, daß die Raumtemperatur auf die 13 Grad steigen konnte, die in Lettland vorerst als eine komfortable Raumtemperatur zu gelten haben.

Im direkten Gespräch von Kultur-Senatorin zu Kultusminister verabredete Helga Trüpel mit ihrem lettischen Kollegen Raimund Pauls mehrere Austauschprojekte für das kommende Jahr. Geplant sind mehrere Kunstsymposien in beiden Städten, an denen jeweils mehrere KünstlerInnen aus den Partnerstädten teilnehmen sollen, geplant ist ein Austausch von Kunstausstellungen, eine Reise des Bremer Domchors zum Sängerfest in Riga und der Gegenbesuch des Rigaer Kammerchores „Ave Sol“. Krönung des Austauschprogramms soll im kommenden Frühjahr der Gegenbesuch des Kultusministers Raimund Pauls sein. Darüberhinaus will die Bremer Senatorin in diesem Winter jeweils eine Sammelaktion für Lebensmittel, Noten und Musikinstrumente initiieren, um den Bürgern der Stadt Riga über den Winter zu helfen, bzw. ihnen zu ermöglichen, sich ihre musikalischen Interessen nicht von der Geldmangellage verbauen zu lassen. step

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