Machtkampf in der Hamburger Morgenpost?

■ Redakteure befürchten: neuer Chef soll die Mopo auf Bild trimmen / Mopo-Mitarbeiter: "Palastrevolution droht"

soll die Mopo auf Bild trimmen / Mopo-Mitarbeiter: »Palastrevolution droht«

Zeitung setzt auf falschen Chefredakteur — Aufstand! So ließe sich im plakativen Mopo-Werbestil die aktuelle Situation in der Redaktion an der Griegstraße beschreiben. Viele Mopo-Mitarbeiter befürchten, daß ihr neuer Chef das Boulevardblatt auf Bild-Niveau trimmen will. Die Zeichen stehen auf Sturm. Eine Redakteurin: „Wir stehen kurz vor einer Palastrevolution.“

Willi Schmitt heißt der Neue. Er soll Noch-Chefredakteur Wolfgang Heckmann Anfang 1994 beerben, wenn dieser in Pension geht. Seit November ist Schmitt neben Heckmann Hamburger Mopo-Chef. Daneben betreut er die Mopo-Ableger in Dresden, Chemnitz und Leipzig sowie den Berliner Kurier. Schmitt ist kein Unbekannter. Der 49jährige war Chefredakteur der Bild am Sonntag, wechselte dann zum Burda-Verlag, um 1991 zum Springer-Verlag als „Chefredakteur für besondere Aufgaben“ zurückzukehren. Ein Mopo- Redakteur: „Ein Springer-Journalist, wie er im Buche steht.“

Daß Schmitt die Mopo auf Bild- Niveau bringen will, sehen Großteile der schreibenden Belegschaft bereits nach drei Wochen bewahrheitet. Gleich zwei Artikel, die der Neu-Chef ins Blatt hob, schlugen vielen Redakteuren „furchtbar auf den Magen“. Am 13. November machte das Blatt in einer Reportage über die Bahnlinie S3 mit der Schlagzeile auf: „Handtaschenraub - Drogensüchtige - Randalierer: Die große Angst der Frauen“. Junkies und dealende Asylbewerber, so legte die Story nahe, würden die S3 zum „gefährlichsten Zug“ machen, in dem täglich „160000 Menschen vor dem Terror“ zittern.

Am Erscheinungstag mußte sich Schmitt von der Redaktion herbe Kritik anhören. Ein Redakteur: „Uns standen die Haare zu Berge. Denn bei uns ist es nicht üblich, daß wir Drogensüchtige und Flüchtlinge pauschal als Kriminelle diffamieren. Wir befürchten, daß Schmitt Randgruppen der Sensation willen auf den Titel zerren und draufknüppeln will.“ Schmitt hingegen will eine Kritik der Gesamt-Redaktion nicht bemerkt haben: „Die Meinung war geteilt, lediglich einige Damen aus der Redaktion haben übersteigert reagiert.“

Bereits sechs Tage später wiederholte sich der Konflikt, als Schmitt eine Geschichte über „Sex- Gangster, Dealer“ und „Exhibitionisten“ in der Mopo plazierte, die im Schanzenpark Angst verbreiten würden. Eine Redakteurin: „Schmitts Lieblingsthema ist Angst,

1und die Geschichten, die er mag, laufen nach dem Strickmuster des Bild-Journalismus.“

Schmitt selbst betont, er wolle „an der liberalen Linie der Mopo nichts ändern“. „Wenn die Redaktion mich erst richtig kennenlernt, werden mögliche Vorbehalte gegen meine Person schon von selbst verschwinden“, glaubt er. Offene Kritik an seiner Person sei ihm nicht zu Ohren gekommen. Schmitt:

1„Wenn da was läuft, dann höchstens hinter meinem Rücken.“

Dort aber läuft einiges. „In allen Ressorts gibt es Kritik“, weiß ein Mopo-Journalist. „So viele Krisensitzungen wie in den letzten Wochen haben hier noch nie stattgefunden.“ Resultat: Bei der nächsten Geschichte nach Schmitt-Strickmuster will die Redaktion ihrem Chef geschlossen entgegentreten. „Eine Aussprache ist das mindeste.“

1Chefredakteur Wolf Heckmann allerdings wiegelt öffentlich noch ab: „Es gibt keine Unruhe in der Redaktion“, dementiert er die Aussagen seiner Mitarbeiter. Intern soll auch der Mopo-Chef gesagt haben, daß er sich den Schmitt-Kurs nicht mehr lange anschauen wird. Offiziell jedoch hat er solche Äußerungen nie von sich gegeben. Heckmann zur taz: „Das ist Unfug, totaler Blödsinn.“ Marco Carini